Konsequent – Das Bundesarbeitsgericht bestätigt in seiner Entscheidung vom 31.01.2023, Az. 9 AZR 456/20 ständige Rechtsprechung: Dreijahresfrist für Urlaubsabgeltung bleibt
Im vergangenen Jahr entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 20.12.2022, Az. 9 AZR 266/20) – in Umsetzung einer EuGH-Entscheidung in deutsches Recht – dass gesetzlicher Urlaub, der in einem intakten Arbeitsverhältnis nicht genommen wurde, nicht ohne vorherigen Hinweis des Arbeitgebers verfallen darf. Danach müssen Arbeitgeber in Wahrnehmung ihrer Informationspflicht ihre Arbeitnehmer/innen auf deren Urlaubsansprüche hinweisen und gegebenenfalls warnen, dass diese verfallen.
Mit der damaligen Entscheidung weckte das BAG bei einigen Arbeitnehmern die Hoffnung, dass die Verjährungsfrist auch bei Abgeltungsansprüchen wegfallen würde. Gleichzeitig bestand seitens einiger Arbeitgeber die Befürchtung einer Klageflut durch Arbeitnehmer/innen, welche eine Abgeltung des nicht genommenen Urlaub aus – unter Umständen seit Jahren – beendeten Arbeitsverhältnissen verlangen.
Das Urteil des BAG vom 31.01.2023, Az. 9 AZR 456/20 hatte insoweit vor allem klarstellende Wirkung; Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers, nicht genommenen Urlaub nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten, unterliegt der dreijährigen Verjährungsfrist.
Anders als der Urlaubanspruch, welcher den wichtigen Erholungszweck des Arbeitnehmers während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses verfolgt, ist der Urlaubabgeltungsanspruch auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt. Die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub, endet mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Sachverhalt
Die Beklagte betreibt eine Flugschule. Sie beschäftigte den Kläger seit dem 9. Juni 2010 als Ausbildungsleiter, ohne ihm seinen jährlichen Urlaub von 30 Arbeitstagen zu gewähren. Unter dem 19. Oktober 2015 verständigten sich die Parteien darauf, dass der Kläger in der Folgezeit als selbstständiger Dienstnehmer für die Beklagte tätig werden sollte. Mit der im August 2019 erhobenen Klage verlangte der Kläger ua. Abgeltung von Urlaub aus seiner Beschäftigungszeit vor der Vertragsänderung. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Entscheidung
Die Revision des Klägers hatte beim Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg, soweit er die Beklagte auf Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2010 bis 2014 in Höhe von 37.416,50 Euro in Anspruch nimmt. Bezogen auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 2015 blieb sie erfolglos.
Der Senat hat am 20. Dezember 2022 (- 9 AZR 266/20 – Pressemitteilung Nr. 48/22) entschieden, dass Urlaubsansprüche verjähren können, die dreijährige Verjährungsfrist jedoch erst am Ende des Kalenderjahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch informiert und ihn im Hinblick auf Verfallfristen aufgefordert hat, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Hat der Arbeitgeber diesen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, kann der nicht erfüllte gesetzliche Urlaub aus möglicherweise mehreren Jahren im laufenden Arbeitsverhältnis weder nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen noch nach § 195 BGB verjähren und ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.
Der Urlaubsabgeltungsanspruch unterliegt seinerseits der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist für den Abgeltungsanspruch beginnt in der Regel am Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten ankommt. Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bildet eine Zäsur. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist anders als der Urlaubsanspruch nicht auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet, sondern auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt. Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der der EuGH die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet, endet mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Bei einer verfassungs- und unionsrechtskonformen Anwendung der Verjährungsregelungen kann die Verjährungsfrist nicht beginnen, solange eine Klageerhebung aufgrund einer gegenteiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zumutbar ist.
Von dem Kläger konnte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 19. Oktober 2015 nicht erwartet werden, seinen Anspruch auf Abgeltung des bis dahin nicht gewährten Urlaubs aus den Jahren 2010 bis 2014 gerichtlich durchzusetzen. Der Senat ging zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums unabhängig von der Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten automatisch verfielen. Erst nachdem der EuGH mit Urteil vom 6. November 2018* neue Regeln für den Verfall von Urlaub vorgegeben hatte, war der Kläger gehalten, Abgeltung für die Urlaubsjahre von 2010 bis 2014 gerichtlich geltend zu machen.
Demgegenüber ist der Anspruch des Klägers auf Abgeltung von Urlaub aus dem Jahr 2015 verjährt. Schon auf Grundlage der früheren Rechtsprechung musste der Kläger erkennen, dass die Beklagte Urlaub aus diesem Jahr, in dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, abzugelten hatte. Die dreijährige Verjährungsfrist begann deshalb Ende des Jahres 2015 und endete mit Ablauf des Jahres 2018. Der Kläger hat die Klage erst im Jahr 2019 erhoben.
Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 31. Januar 2023.
Der Europäische Gerichtshof hat mit zwei spektakulären Entscheidungen vom 22.09.2022 wieder Chaos (oder Leben – je nach Betrachter) ins Urlaubsrecht gebracht:
Nach der Entscheidung in der Rechtssache C-120/21 (BAG) soll der Anspruch auf erworbenen bezahlten Jahresurlaub nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nicht verjähren, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch wahrzunehmen. In den beiden Rechtssachen C-518/20, C-727/20 (BAG) hat der EuGH nunmehr entschieden, dass auch bei Langzeit- , bzw. Dauererkrankten der Urlaub nur verfällt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch auszuüben, insbesondere durch eine entsprechende Information.
Ausgangslage
Der Anspruch auf Erholungsurlaub verfällt grundsätzlich nach § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG mit Ablauf des Kalenderjahres. Unter bestimmten Voraussetzungen kann er in das folgende Kalenderjahr übertragen werden, ist dann aber bis spätestens 31.03. zu nehmen. Soweit das Gesetz. 2019 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Rechtsprechung des EuGH übernommen, dass der Urlaub nur dann verfallen soll, wenn der Arbeitnehmer zuvor durch den Arbeitgeber über 1.) das Bestehen des Anspruchs und dessen Umfang, 2.) über die rechtzeitige Urlaubnahme und 3.) den Verfall zum Jahresende informiert wurde. Offen war danach, ob erstens der Urlaubsanspruch- wie andere Ansprüche auch – der regelmäßigen und damit dreijährigen Verjährungsfrist unterliegt und zweitens, ob Langzeiterkrankten auch eine solche Mitteilung gemacht werden muss, da das BAG hier bereits eine verlängerte 15monatige Übertragungsfrist angenommen hat. Insbesondere mutet es seltsam an, jemanden dazu aufzufordern, Urlaub zu nehmen, der wegen Erkrankung hierzu gar nicht in der Lage ist.
1. Ohne Information verjährt Urlaub nicht
In der erstgenannten Entscheidung war die Klägerin vom 1.11.1996 bis 31.7.2017 bei der Beklagten beschäftigt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte die Klägerin für die von ihr zwischen 2013 und 2017 nicht genommenen 101 Tage bezahlten Jahresurlaubs eine finanzielle Vergütung. Die Beklagte lehnte es ab, den Jahresurlaub abzugelten. Der von der Klägerin am 6.2.2018 erhobene Klage wurde im ersten Rechtszug teilweise stattgegeben. Hinsichtlich der Ansprüche, die sich auf die für die Jahre 2013 bis 2016 nicht genommenen Urlaubstage beziehen, wurde die Klage abgewiesen. Das LAG entschied daraufhin in der 2. Instanz, dass die Klägerin für den im Zeitraum von 2013 bis 2016 nicht genommenen Jahresurlaub Anspruch auf Abgeltung von 76 weiteren Tagen habe. Die Beklagte habe nicht dazu beigetragen, dass die Klägerin ihren Urlaub für diese Jahre zur gebotenen Zeit habe nehmen können, sodass die Ansprüche nicht verjährt seien. Gegen diese Entscheidung wurde Revision eingelegt. Daraufhin hat das BAG das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage vorgelegt.
Der bezahlte Jahresurlaub sei nach Auffassung des EuGH ein in Art. 31 II EU-GRCharta verankertes Grundrecht. In der EU-GRCharta verankerte Grundrechte dürften nur unter Einhaltung strenger Bedingungen eingeschränkt werden. Diese Einschränkungen müssten gesetzlich vorgesehen sein, den Wesensgehalt des betreffenden Rechts achten sowie unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sein und von der EU anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen tatsächlich entsprechen. Zwar verfolge die Verjährungsvorschriften ein legitimes Ziel, nämlich die Gewährleistung der Rechtssicherheit. Dieses Interesse sei indes dann nicht mehr berechtigt, wenn der Arbeitgeber sich dadurch, dass er davon abgesehen habe, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich wahrzunehmen, selbst in eine Situation gebracht habe, in der er mit solchen Anträgen konfrontiert werde, und aus der er zulasten des Arbeitnehmers Nutzen ziehen könnte. Vorliegend sei es Sache des Arbeitgebers, gegen späte Anträge wegen nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs dadurch Vorkehrungen zu treffen, dass er seinen Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachkomme, womit die Rechtssicherheit gewährleistet werde, ohne dass das in der EU-GRCharta verankerte Grundrecht eingeschränkt würde.
2. Auch Erkrankte müssen zur Urlaubnahme aufgefordert werden
Das BAG legte dem EuGH weitere zwei Vorabentscheidungsersuchen vor. Im ersten Vorabentscheidungsersuchen ist in einem Rechtsstreit zwischen XP und Fraport streitig, ob der bei Fraport beschäftigte Frachtfahrer XP, der infolge einer schweren Behinderung seit dem 1.12.2014 eine Rente wegen voller, aber nicht dauerhafter Erwerbsminderung (zuletzt bis zum 31.08.2022 verlängert) bezieht, Anspruch auf 34 Tage bezahlten Jahresurlaub aus dem Jahr 2014 zustehen. Diese Urlaubstage hat XP aufgrund seines Gesundheitszustands nicht in Anspruch nehmen können. Fraport war seiner Obliegenheit nicht nachgekommen, an der Gewährung und Inanspruchnahme des Jahresurlaubes mitzuwirken.
Im zweiten Vorabentscheidungsersuchen macht die Arbeitnehmerin AR, die beim St. Vincenz-Krankenhaus angestellt und seit ihrer Erkrankung im Jahr 2017 arbeitsunfähig ist, die Feststellung geltend, dass ihr 14 Tage bezahlter Jahresurlaub aus dem Jahr 2017 zustehen. In beiden Fällen berufen sich die Arbeitgeber auf den Verfall des Urlaubs nach Ablauf von 15 Monaten ab Ende des jeweiligen Urlaubsjahres.
Der EuGH hat entschieden, dass ein Verfall des Urlaubs in diesem Fall Unionsrecht widersprechen würde. Zwar seien Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub grundsätzlich anhand der auf Grundlage des Arbeitsvertrags tatsächlich geleisteten Arbeitszeiträume zu berechnen. Hiervon sei aber eine Ausnahme bei arbeitsunfähigen Arbeitnehmern zu machen. Das Eintreten einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit sei grundsätzlich nicht vorhersehbar und vom Willen des Arbeitnehmers unabhängig. Es könne allerdings „besondere Umstände“ geben, die eine Ausnahme von der Regel, dass Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht erlöschen können, rechtfertigen, um die negativen Folgen einer unbegrenzten Ansammlung von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub zu vermeiden. Daher stehe Unionsrecht einer nationalen Rechtsvorschrift nicht entgegen, die die Möglichkeit, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln, dadurch einschränke, dass sie einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorsehe, nach dessen Ablauf der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlösche. Eine solche Ausnahme sei aber dann nicht gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber seiner Obliegenheit nicht nachgekommen sei, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Urlaub tatsächlich zu nehmen. In diesem Fall müsse der Arbeitgeber die sich daraus ergebenen Folgen tragen. Ein anderes Ergebnis mache auch der Schutz der Interessen des Arbeitgebers nicht erforderlich, da nur der Urlaubsanspruch des Bezugszeitraumes betroffen sei, in dem die volle Erwerbsminderung oder Krankheit eingetreten sei. Es bestehe daher nicht die Gefahr einer unbeschränkten Ansammlung von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub.
Einordnung
Wie schon Polonius, der ein System hinter Hamlets Verwirrtheit zu erkennen glaubte, erscheinen uns diese Entscheidungen des EuGH in ihrer rechtlichen Überhöhung des Urlaubsanspruchs irgendwie konsequent. Überhöhung, weil es sachlich kein Argument gibt, den Urlaub gegenüber z.B. Lohnansprüchen, die normal verjähren können, zu privilegieren. Der EuGH wird in seinem missionarischen Eifer aber auch inkonsequent: denn nach ständiger Rechtsprechung des EuGH wird mit dem Anspruch auf Jahresurlaub nämlich der Zweck verfolgt, dass sich der Arbeitnehmer durch bezahlten Urlaub tatsächlich zu erholen. Jede Maßnahme also, insbesondere der Abkauf von Urlaubsansprüchen, die darauf abzielt, den Erholungszweck zu verhindern, ist daher rechtswidrig. Dann muss sich der EuGH aber fragen lassen, wie sich dieser Grundsatz damit in Einklang bringen lassen soll, dass bei Erkrankten Urlaubsansprüche erhalten bleiben sollen, die voraussichtlich nie mehr der Erholung dienen können oder dass hier Anreize für Arbeitnehmer geschaffen werden, Urlaub jahrelang nicht zu nehmen, um sich einen späteren Ausstieg vergolden zu lassen. Letztlich forciert der EuGH damit die eigentlich unerwünschte Kapitalisierung des Urlaubsanspruchs.
Praxistipp
Es bleibt nichts anderes übrig: einmal im Jahr müssen die Arbeitnehmer und zwar alle einen „Urlaubskontoauszug“ erhalten: 1. offener Urlaub, 2. die Aufforderung, diesen zu nehmen und 3. der Hinweis, dass der Urlaub sonst verfällt. Das kann auf einer Lohnabrechnung geschehen, muss aber individualisiert werden. Wichtig auch: der Zugang muss bewiesen werden. Bei Langzeiterkrankten, die keine Lohnabrechnung erhalten, sollte der Hinweis schriftlich erfolgen. Und „Altfälle“? Wer es richtig machen will, zählt ALLE Urlaubsansprüche der Vergangenheit, die vermeintlich verfallen sind, zusammen und führt diese einmalig in einem Hinweis auf, mit dem Hinweis, dass diese spätestens am 31.03. verfallen werden. Dann sollte der Urlaub aber auch genommen werden können. Nichts tun, kann gut gehen, muss es aber nicht. Gerne helfen wir Ihnen weiter.
Der bevorstehende Sommerurlaub wirft einige Fragen zum Urlaub auf: wie verhält sich der Urlaubsanspruch in der Kurzarbeit, kann ArbeitnehmerInnen Auslandsurlaub untersagt werden oder kann im Anschluss eine Quarantäne verlangt werden, mit welchen Folgen für das Arbeitsverhältnis? In diesem Beitrag versuchen wir, die wichtigsten Fragen zu beantworten.
1. Urlaub und Kurzarbeit
Der Europäische Gerichtshof hat in zwei Urteilen vom 08.11.2012 – C-229/11, C-230/11 entschieden, dass während der Kurzarbeit die gegenseitigen Leistungspflichten des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers nach Maßgabe der Arbeitszeitverkürzung suspendiert, wenn nicht gar völlig aufgehoben sind. Der für Teilzeitarbeit vorgesehene Pro-rata-temporis-Grundsatz gelte; bei Kurzarbeit „0“ folge daraus Urlaub „0“. Diese Entscheidung wurde vom BAG bisher noch nicht übernommen. Für die Praxis bedeutet dies: für volle Kalendermonate mit Kurzarbeit „0“ kann der Jahresurlaubsanspruch daher um 1/12 gekürzt werden, ähnlich der Vorschrift des § 17 BEEG. Nach unserer Auffassung geschieht dies nicht automatisch, sondern bedarf einer Kürzungserklärung des Arbeitgebers.
Ähnlich dürfte es sich bei einer Reduzierung der wöchentlichen Arbeitstage verhalten. Beispiel: vor Einführung der Kurzarbeit ist die wöchentliche Arbeitszeit auf 5 Arbeitstage verteilt, während der Kurzarbeit arbeitet der Arbeitnehmer nur an 3 Arbeitstagen. Der Arbeitnehmer hat einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Tagen. Auch hier dürfte eine ratierliche Kürzung des Urlaubsanspruchs für jeden vollen Monat der Herabsetzung der wöchentliche Arbeitstage infolge Kurzarbeit zulässig sein. Im Beispielsfall wäre dies eine Reduzierung des Urlaubsanspruchs um einen Tag je vollem Monat: 30 Tage Jahresurlaub : 12 Monate = 2,5 Tage. Dieser Anspruch besteht bei Herabsetzung der Arbeitstage nur noch zu 3/5 = 1,5 Tage, Kürzung also ein Tag. Ist die Kurzarbeit auch nicht für einen vollständigen Kalendermonat eingeführt, dürfte nach unserer Auffassung eine Kürzung aber nicht möglich sein.
Wir weisen aber darauf hin, dass es hierzu höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht gibt.
2. Darf der Arbeitgeber nach dem Urlaubsziel fragen?
Sowohl das Auswärtige Amt als auch das Robert-Koch-Institut warnen vor Reisen in bestimmte Länder, da hier das Risiko einer COVID19-Infektion nach wie vor erhöht ist (Aktuelles auf der Homepage des AA: https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/10.2.8Reisewarnungen oder auf der Seite des RKI: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete_neu.html?nn=13490888).
Nach den Quarantäneverordnungen der Länder (für Bayern siehe: https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayEQV/true) ist eine zwingende Quarantäne von 14 Tagen nach eine Einreise/Rückkehr aus Risikogebieten vorgesehen, die in den vorgenannten Aufzählungen des AA oder des RKI benannt werden. Dies betrifft aktuell auch beliebte Reiseziele wie die Türkei, Ägypten oder die USA. Zwar kann die Quarantäne z.B. durch Vorlage eines negativen Coronatests abgekürzt werden, aber auch hier werden einige Tage nach der Rückkehr vergehen. Das heißt also, dass aus einem geplanten dreiwöchigen Urlaub schnell eine bis zu 5 Wochen andauernde Abwesenheit vom Arbeitsplatz werden kann. Dies, aber auch die Fürsorgepflicht gegenüber anderen ArbeitnehmerInnen führt zu einem Interesse des Arbeitgebers, von den Urlaubszielen der bei ihm Beschäftigten zu erfahren.
Auf der anderen Seite ist die Privatsphäre der ArbeitnehmerInnen zu beachten, denn üblicherweise geht des den Arbeitgeber nichts an, was seine Beschäftigten in ihrer Freizeit machen. Hierzu zählen auch die Urlaubsziele. Allerdings sind wir der Auffassung, dass die aktuelle Situation ein Fragerecht des Arbeitgebers zulässt. Denn wegen der Infektionsgefahr und möglicher Quarantänefolgen können betriebliche Interessen massiv betroffen sein. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit müsste die Frage aber darauf beschränkt werden, ob eine Urlaubsreise in ein Risikogebiet geplant ist. Wird auf diese Frage „gelogen“, stehen dem Arbeitgeber die üblichen arbeitsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung (Abmahnungen, in Extremfällen aber auch eine Kündigung).
3. Kann der Arbeitgeber Urlaubsreisen in Riskogebiete verbieten?
Ein Verbot wäre unseres Erachtens zu weitgehend. Ein Verbot eines bestimmten Urlaubszieles steht dem Arbeitgeber nicht in der Art zu, dass er bei einem (folgenlosen) Verstoß abmahnen oder sogar kündigen könnte.
4. Kann der Arbeitgeber nach einem Urlaub pauschal Quarantäne anordnen?
Dies ist grundsätzlich möglich, da der Arbeitgeber sich letztlich nur weigert, nach Ablauf des Urlaubs für eine bestimmte Zeit die angebotene Arbeitsleistung anzunehmen. „Quarantäne“ kann in diesem Zusammenhang aber nur ein Verbot des Betretens des Betriebsgeländes bedeuten. Eine Anordnung, während dieser Zeit seine Wohnung nicht zu verlassen, überschreitet die Grenzen dessen, was einem Arbeitgeber rechtlich gestattet ist, das wäre ein rechtsunwirksamer Eingriff in die Privatsphäre.
Der Arbeitgeber dürfte in den Fällen, in denen es NICHT zu einer nach den Quarantänevorschriften der einzelnen Bundesländer zwingenden Quarantäne kommt, nicht von der Lohnzahlung befreit werden. Nach § 615 BGB gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug und bleibt zur Lohnzahlung verpflichtet. Eine einseitige Anordnung eines (weiteren) Urlaubs ist ebenfalls nicht möglich, solange der Arbeitnehmer nicht zustimmt, da bei der Urlaubsgewährung stets (auch) die Wünsche der Arbeitnehmer zu beachten sind.
Nach einem Urlaub in Österreich oder Italien also müsste der Arbeitgeber den Lohn also weiterzahlen, wenn er gegenüber den ArbeitnehmerInnen eine Quarantäne anordnet.
5. Was passiert bei einer „obligatorischen“ Quarantäne?
Verbringen ArbeitnehmerInnen ihren Urlaub in einem Risikogebiet, einer Region also, die nach Einschätzung des AA oder des RKI mit einem relevanten Infektionsrisiko belastet ist, so gilt etwas anderes. In diesem Fall tritt eine obligatorische Quarantäne ein, d.h. dass die Betroffenen sich in der eigenen Häuslichkeit für 14 Tage „abzusondern“ haben. Es ist den Betroffenen also auch nicht möglich, zur Arbeit zu erscheinen. In diesem Fall liegt KEIN Fall des Annahmeverzugs vor, der Arbeitgeber ist somit auch nicht zur Lohnzahlung verpflichtet. Wenn kein Urlaubsanspruch und auch keine Möglichkeit zum Stundenabbau aus einem Arbeitszeitkonto mehr besteht, müssen die Mitarbeiter diese Zeit unbezahlt zu Hause verbringen. Ein Anspruch auf Verdienstausfall nach § 56 InfSG ist in diesen Fällen ebenfalls nicht gegeben, da es sich nicht um eine Anordnung der Gesundheitsbehörden im Einzelfall, sondern um eine allgemeingültige Rechtsverordnung handelt.
Wir sind darüber hinaus auch der Auffassung, dass die ArbeitnehmerInnen hier eine Abmahnung und im schlimmsten Fall sogar eine Kündigung riskieren. Zwar handelt es sich nicht um eine „absichtliche“ Arbeitsverweigerung, allerdings sind ArbeitnehmerInnen grundsätzlich in der Pflicht, dafür Sorge zu tragen, nach Ablauf des Urlaubs ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Hierzu zählt auch, im Vorfeld etwaige Konsequenzen eigenverantwortlich zu klären und abzuwägen. Wenn ich also unbedingt meinen Sommerurlaub in der Türkei oder Ägypten verbringen möchte, muss ich die Quarantäne von Anfang an mit einplanen. Also: zwei Wochen Ägypten plus zwei Wochen Quarantäne = vier Wochen Urlaub beantragen. Ist das nicht möglich, sollte der Urlaub abgesagt werden, eine Stornierung ist in der Regel kostenfrei möglich.
7. Sonstige Konsequenzen
Wer sich an die Verhaltensregeln während der Pandemie in seinem Urlaub und danach hält, dürfte nichts zu befürchten haben. Wer sich hingegen bei der Wahl des Urlaubsziels, seinem Verhalten im Urlaub oder danach fahrlässig verhält, sich selbst und/oder andere dadurch gefährdet, läuft Gefahr durchaus ernster Konsequenzen: neben dem Verlust von Entgeltansprüchen, Abmahnung oder sogar Kündigung sind auch Geldbußen oder Schadenersatzansprüche denkbar. Nach dem InfSG können bei Quarantäneverstößen Geldbußen bis zu 2.500 EUR, im Einzelfall sogar bis zu 25.000 EUR fällig werden. Wer durch einen Verstoß andere infiziert, riskiert sogar eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Denkbar ist auch, dass der Arbeitgeber bei einem Coronaausbruch in seinem Betrieb erhebliche Schadenersatzansprüche gegen den Verursacher verfolgen könnte, wenn z.B. hierdurch der Betrieb stillsteht.
Fazit:
Bei dem bevorstehenden Sommerurlaub ist Vorsicht geboten. In unbedenklichen Reisegebieten, insbesondere im Schengenraum, sollten die UrlauberInnen trotzdem Vorsicht walten lassen und sich nach der Rückkehr auch den Kollegen gegenüber auf die üblichen Regeln besinnen. Bei Anzeichen einer Erkrankung unbedingt und unverzüglich den Arbeitsplatz verlassen, hier besteht Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Arbeitgeber sollten ihre Belegschaft im Vorfeld auf die Risiken des Urlaubs und einer möglicherweise sich anschließenden Quarantäne unterrichten. Die pauschale Anordnung einer betrieblichen Quarantäne sollte wegen der Entgeltkosten sorgfältig überlegt werden.
Für Rückfragen stehen Ihnen die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der Kanzlei gerne zur Verfügung.
Das BAG hatte sich am 24.09.2019 (AZ. 9 AZR 481/18) mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Arbeitnehmer Anspruch auf Erholungsurlaub und damit am Ende auf Urlaubsabgeltung hat, der sich im Rahmen einer Altersteilzeitvereinbarung in der Freistellungsphase befindet.
Sachverhalt:
Der Kläger war bei der Beklagten im Rahmen eines Vollzeitarbeitsverhältnisses beschäftigt. Ab dem 1.12.2014 setzten die Parteien das Arbeitsverhältnis als Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit der Hälfte der bisherigen Arbeitszeit fort. Nach dem vereinbarten Blockmodell war der Kläger bis zum 31.3.2016 im bisherigen Umfang zur Arbeitsleistung verpflichtet und anschließend bis zum 31.7.2017 von der Arbeitsleistung freigestellt. Während der Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses erhielt er sein auf der Grundlage der reduzierten Arbeitszeit berechnetes Gehalt zuzüglich der Aufstockungsbeträge. Dem Kläger stand nach dem Arbeitsvertrag jährlich an 30 Arbeitstagen Urlaub zu. Im Jahr 2016 gewährte ihm die Beklagte an acht Arbeitstagen Erholungsurlaub. Der Kläger hat den Standpunkt eingenommen, für die Freistellungsphase der Altersteilzeit habe er Anspruch auf insgesamt 52 Arbeitstage Urlaub gehabt, den die Beklagte abzugelten habe.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
BAG-Entscheidung:
Auch die Revision des Klägers vor dem BAG hatte keinen Erfolg.
Nach § 3 I BUrlG beläuft sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche auf 24 Werktage. Ist die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, muss die Anzahl der Urlaubstage unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus berechnet werden, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten (24 Werktage x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage).
Einem Arbeitnehmer, der sich in der Freistellungsphase eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses befindet und im gesamten Kalenderjahr von der Arbeitspflicht entbunden ist, steht mangels Arbeitspflicht kein gesetzlicher Anspruch auf Erholungsurlaub zu. Die Freistellungsphase ist mit „null“ Arbeitstagen in Ansatz zu bringen. Vollzieht sich der Wechsel von der Arbeits- in die Freistellungsphase im Verlauf des Kalenderjahres, muss der Urlaubsanspruch nach Zeitabschnitten entsprechend der Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht berechnet werden. Die 8 Urlaubstage bezogen sich daher auf die Zeit der Arbeitsphase vom 01.01.2016 bis 31.03.2016.
Bei einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell sind Arbeitnehmer in der Freistellungsphase weder aufgrund gesetzlicher Bestimmungen noch nach Maßgabe des Unionsrechts Arbeitnehmern gleichzustellen, die in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet haben. Diese Grundsätze gelten auch für den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien für die Berechnung des Urlaubsanspruchs während der Altersteilzeit keine von § 3 I BUrlG abweichende Vereinbarung getroffen haben.
Das Bundesarbeitsgericht stellt klar, dass während eines unbezahlten Sonderurlaubs kein Anspruch auf gesetzlichen Erholungsurlaub entsteht.
Hintergrund
Das Urlaubsrecht kommt nicht zur Ruhe. Nach Urteilen zu Verfall, Übertragbarkeit und Vererbbarkeit des Urlaubsanspruchs hat nun das Bundesarbeitsgericht auch seine Rechtsprechung zur Frage des Entstehens eines Urlaubsanspruchs während Zeiten eines unbezahlten Sonderurlaubs geändert – diesmal jedoch zu Gunsten der Arbeitgeberschaft!
Traten Arbeitgeber in der Vergangenheit an uns mit der Frage heran, ob und wie sie einem Wunsch eines Arbeitnehmers auf unbezahlten Sonderurlaub erfüllen können, lautete unsere Antwort bisher: „Dies ist leicht möglich. Probleme kann es jedoch mit dem gesetzlichen Mindesturlaub geben.“ Denn noch im Jahr 2014 hatte das Bundesarbeitsgericht entschieden (Urteil vom 06.05.2014 – 9 AZR 678/12), dass die Vereinbarung unbezahlten Sonderurlaubs das Entstehen gesetzlicher Urlaubsansprüche nicht hindere.
Diese Entscheidung stoß auf breiter Front auf Unverständnis und war rechtlichen Laien kaum zu vermitteln. Das Bundesarbeitsgericht gab hiermit der Arbeitnehmerschaft auch Steine statt Brot. Denn in vielen Fällen waren Arbeitgeber nach Aufklärung über die rechtlichen Risiken nicht mehr bereit, dem Wunsch nach Sonderurlaub nachzukommen.
Diese unbefriedigende Rechtslage hat nun jedoch das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 19.03.2019 – 9 AZR 315/17 beseitigt.
Sachverhalt
Eine Arbeitgeberin gewährte einer Arbeitnehmerin wunschgemäß in der Zeit vom 1. September 2013 bis zum 31. August 2014 unbezahlten Sonderurlaub, der einvernehmlich bis zum 31. August 2015 verlängert wurde. Nach Beendigung des Sonderurlaubs verlangte die Arbeitnehmerin die Gewährung des gesetzlichen Mindesturlaubs von 20 Arbeitstagen für das Jahr 2014. Sie vertrat hierbei die Auffassung, Urlaubsansprüche entstünden auch im ruhenden Arbeitsverhältnis. Eine Kürzung dieses Urlaubsanspruchs sei mangels einschlägiger Rechtsgrundlage im Falle eines Sonderurlaubs nicht zulässig. Das Landesarbeitsgericht folgte dieser Argumentation und sprach der Arbeitnehmerin für das Jahr 2014 den gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Urlaubstagen bei einer 5-Tage-Woche zu.
Entscheidung des BAG
Entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung kam das Bundesarbeitsgericht hingegen zu dem Ergebnis, dass die Arbeitnehmerin für das Jahr 2014 – währenddessen sie sich ununterbrochen im Sonderurlaub befunden hat – keinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub hat und begründet dies ausweislich der Pressemitteilung wie folgt:
Nach § 3 Abs. 1 BUrlG beläuft sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche auf 24 Werktage. Dies entspricht einem gesetzlichen Jahresurlaubsanspruch von 20 Tagen bei einer Fünftagewoche. Ist die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, muss die Anzahl der Urlaubstage unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus berechnet werden, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten
Diese Umrechnung hat das Bundesarbeitsgericht in Fällen des Sonderurlaubs, in dem die Arbeitszeit „0 Tage pro Woche“ beträgt, bisher nicht vorgenommen. Hieran hält das Bundesarbeitsgericht jedoch nunmehr ausdrücklich nicht mehr fest und stellt klar:
Befindet sich ein Arbeitnehmer im Urlaubsjahr ganz oder teilweise im unbezahlten Sonderurlaub, ist bei der Berechnung der Urlaubsdauer zu berücksichtigen, dass die Arbeitsvertragsparteien ihre Hauptleistungspflichten durch die Vereinbarung von Sonderurlaub vorübergehend ausgesetzt haben. Dies führt dazu, dass einem Arbeitnehmer für ein Kalenderjahr, in dem er sich durchgehend im unbezahlten Sonderurlaub befindet, mangels einer Arbeitspflicht kein Anspruch auf Erholungsurlaub zusteht (entsprechend einer Teilzeit Null).
Praxishinweis
Die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene Rechtsprechungsänderung ist ausdrücklich zu begrüßen. Die bisherige Rechtsprechung war mit dem gesunden Menschenverstand kaum zu vereinbaren.
Bei der zukünftigen Gewährung von Sonderurlaub (Sabbaticals) ist darauf zu achten, dass der betroffene Arbeitnehmer nicht nur einseitig von seiner Arbeitspflicht befreit, d.h. einseitig in den Sonderurlaub geschickt wird, sondern dass hierfür eine einvernehmliche (aus Beweisgründen) schriftliche Vereinbarung geschlossen wird. Denn das Bundesarbeitsgericht stellt offenbar maßgeblich auf den übereinstimmenden Willen der Arbeitsvertragsparteien zur vorübergehenden Suspendierung des Arbeitsvertragsparteien ab, der das Nichtentstehen eines Urlaubsanspruchs rechtfertige.
So hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom gleichen Tag entschieden (Urteil vom 19.03.2019 – 9 AZR 362/18), dass während Zeiten einer Elternzeit, in dem das Arbeitsverhältnis auch ruht, ein Urlaubsanspruch grundsätzlich weiterhin entstehe. Dies ist insofern konsequent, als die Elternzeit auf einer einseitigen Erklärung beruht, die keine Annahmeerklärung des Arbeitgebers bedarf. Dieser während der Elternzeit entstehende Urlaubsanspruch kann der Arbeitgeber jedoch nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG kürzen. Diese Kürzungsvorschrift ist – wie das Bundesarbeitsgericht entschieden hat –mit Unionsrecht vereinbar. Arbeitgeber haben jedoch darauf zu achten, dass sie von dieser Kürzungsmöglichkeit nur während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses Gebrauch machen können (Urteil vom 19.5.2015 – 9 AZR 725/13).
Die Rechtsprechungsänderung des BAG dürfte auch über den Fall des Sonderurlaubs hinaus Bedeutung haben. So müsste wohl auch die seit langem umstrittene Frage geklärt sein, ob auch ein Urlaubsanspruch in der Passivphase einer Altersteilzeit entstehe. Da eine Altersteilzeit grundsätzlich auf einer einvernehmlichen vertraglichen Regelung basiert, müsste die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht auch für diesen Fall gelten, mit der Folge, dass in der passiven Phase einer Altersteilzeit kein Urlaubsanspruch entsteht. Zu diesem Ergebnis kam jüngst auch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seinem Urteil 13.07.2018 – 6 Sa 272/18. Da hiergegen beim Bundesarbeitsgericht die Revision anhängig ist (9 AZR 481/18), ist in naher Zukunft mit einer entsprechenden Klarstellung zu rechnen.
Mit einer aktuellen Entscheidung vom 19.02.2019 (Az. 9 AZR 541/15) hat das Bundesarbeitsgericht die Vorgaben des EuGH zum Urlaubsrecht (EuGH Urteil vom 06.11.2018, Aktenzeichen C – 684/16) umgesetzt. Demnach erlischt der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
Sachverhalt:
Der Beklagte beschäftigte den Kläger vom 1. August 2001 bis zum 31. Dezember 2013 als Wissenschaftler. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte der Kläger ohne Erfolg, den von ihm nicht genommenen Urlaub im Umfang von 51 Arbeitstagen aus den Jahren 2012 und 2013 mit einem Bruttobetrag iHv. 11.979,26 Euro abzugelten. Einen Antrag auf Gewährung dieses Urlaubs hatte er während des Arbeitsverhältnisses nicht gestellt.
Entscheidung des BAG:
Das BAG hat die Sache zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes an das LAG München zurückverwiesen. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG sei es dem Arbeitgeber vorbehalten, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen. Diese Vorschrift zwingt den Arbeitgeber zwar nicht, dem Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren. Allerdings obliege ihm unter Beachtung von Art. 7 Abs. 1 der EU-Arbeitszeitrichtlinie die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Danach sei der Arbeitgeber gehalten, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – aufgefordert, dies zu tun. Der Arbeitgeber habe klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums verfallen wird, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nimmt. Kommt der Arbeitgeber diesen Verpflichtungen nicht nach, tritt der Verfall von Urlaub in der Regel nicht ein.
Praxishinweis:
Arbeitgeber werden in der Zukunft nachweisen müssen, dass sie die vom BAG aufgestellten Anforderungen eingehalten haben, wenn sie sich auf einen automatischen Verfall von Urlaubsansprüchen berufen wollen. Ein entsprechender Nachweis sollte zumindest in Textform, also per E-Mail, erfolgen. Die Ausweisung von Resturlaubstagen in der Lohnabrechnung dürfte nicht ausreichen. Zudem wird diese Aufforderung so rechtzeitig erfolgen müssen, dass der Urlaub noch tatsächlich genommen werden muss. Offen ist aber noch, ob eine allgemeine Aufforderung z.B. am „Schwarzen Brett“ ausreicht oder ob eine jeweils individuelle Aufforderung erfolgen muss.
Wir empfehlen daher zukünftig, nach dem Ende der Sommerferien einen Zwischenstand der Resturlaubsansprüche aller Arbeitnehmer zu erheben, um dann die Mitarbeiter, die noch über einen Resturlaubsanspruch verfügen, jeweils individuell per E-Mail dazu aufzufordern, den Urlaub noch im laufenden Jahr zu nehmen, da dieser ansonsten mit Ablauf des Kalenderjahres verfällt. Gerne sind wir Ihnen bei der Formulierung behilflich.
Noch offen ist die Frage, ob ein Vertrauensschutz für die Vergangenheit gewährt werden wird. Es deutet aber einiges darauf hin, dass jedenfalls vermeintlich verfallene Ansprüche aus dem Jahr 2018 bereits von dieser Rechtsprechungsänderung betroffen sein können. Denn die Voraussetzungen sind seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 06.11.2018 bekannt. Diese Frage wird allerdings erst in zukünftigen Auseinandersetzungen gerichtlich geklärt werden. Es bleibt also spannend.
Die Entscheidung liegt bislang nur als Pressemitteilung vor: https://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2019&nr=21968&pos=2&anz=11&titel=Verfall_von_Urlaubsanspr%FCchen_-_Obliegenheiten_des_Arbeitgebers
Als Arbeitsrechtsspezialisten, die sowohl auf Arbeitgeber-, als auch auf Arbeitnehmerseite tätig sind, werden wir in unserer täglichen Beratungspraxis in regelmäßigen Abständen immer wieder mit den gleichen Mythen über das deutsche Arbeitsrecht konfrontiert. Nach unserer Erfahrung können diese Fehlvorstellungen weitreichende Konsequenzen haben, insbesondere in finanzieller Hinsicht. Zum Start unseres Blogs haben wir daher es zu unserer Aufgabe gemacht, einen kleinen Beitrag zu der Entmystifizierung des Arbeitsrechts zu leisten.
1. „Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Abfindung.“
Man kann es nicht oft genug betonen: Das deutsche Arbeitsrecht kennt keinen gesetzlichen Anspruch auf die Zahlung einer Abfindung bei Verlust des Arbeitsplatzes!
Nichtsdestotrotz endet die Mehrzahl der Kündigungsschutzprozesse durch den Abschluss eines Vergleiches, in dem sich der Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung verpflichtet. Dahinter steht jedoch kein gesetzlicher Zwang, sondern im Regelfall wirtschaftliche Überlegungen. Sofern der Arbeitnehmer Kündigungsschutz genießt, bedeutet ein langwieriger Kündigungsschutzprozess für den Arbeitgeber ein schwer zu kalkulierendes Risiko. Zur Abwendung dieses finanziellen Risikos und um möglichst rasch Rechts- und Planungssicherheit zu erlangen, sind daher viele Arbeitgeber bereit, den Arbeitnehmer das Ende seines Arbeitsverhältnisses zu versüßen. Dies gilt natürlich nicht in den Fällen, in denen dem Arbeitgeber ein Kündigungsgrund zur Seite steht!
Darüber hinaus sind Abfindungen regelmäßig Gegenstand von Sozialplänen, die zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat anlässlich von Betriebsänderungen zur Milderung der hiermit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile abgeschlossen werden. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer einen einklagbaren Anspruch auf die im Sozialplan vorgesehene Abfindung.
In allen anderen Fällen ist das Ob und die Höhe der Abfindung hingegen Verhandlungssache.
2. „Solange der Arbeitnehmer krankgeschrieben ist, kann er nicht gekündigt werden.“
Ist der Arbeitnehmer erkrankt, hat dies arbeitsrechtlich erstmal nur zur Konsequenz, dass er nicht auf der Arbeit erscheinen muss, aber trotzdem für die Dauer von sechs Wochen seinen Entgeltanspruch behält (vgl. § 3 EFZG).
Keinesfalls bedeutet die Krankheit hingegen eine Kündigungssperre! Im Unterschied zur Schwangerschaft und Schwerbehinderung begründet die (bloße) Krankheit keinen Sonderkündigungsschutz. Auch kann dem Arbeitnehmer im Krankenstand normal eine Kündigung an seiner Wohnadresse zugestellt werden. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer stationär in einem Krankenhaus behandelt wird und dem Arbeitgeber dies bekannt ist.
Vielmehr ist es im Gegenteil sogar so, dass Erkrankungen des Arbeitsnehmers dazu führen können, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis unter Umständen wirksam kündigen kann. Zwar rechtfertigt eine Krankheit allein die Kündigung nicht. Ist jedoch eine Gesundung des Arbeitsnehmers ungewiss und führen die Fehlzeiten zu einer Beeinträchtigung betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen des Arbeitgebers, kommt eine krankheitsbedingte Kündigung in Betracht. Vorher muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer jedoch zumindest ein sog. betriebliches Eingliederungsmanagement (kurz BEM) angeboten haben. Im Rahmen des BEM sol¬len Mög¬lich¬kei¬ten erör¬tert wer¬den, wie die krankheitsbedingte Arbeits¬un¬fä¬hig¬keit überwunden und mit wel¬chen Leis¬tun¬gen oder Hil¬fen einer erneu¬ten Arbeits¬un¬fä¬hig¬keit vor¬ge¬beugt und der Arbeits¬platz erhal¬ten wer-den kann.
3. „Erst nach drei Abmahnungen kann der Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen.“
Ebenso wie es keine absoluten Kündigungsgründe gibt, existieren auch keine allgemeinverbindlichen Vorgaben zur Anzahl der erforderlichen Abmahnungen vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung.
Außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes muss der Arbeitgeber vor einer Kündigung beispielsweise überhaupt keine Abmahnung aussprechen.
Findet das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, gilt zwar die Regel, dass dem Arbeitnehmer bei einem Fehlverhalten vor Ausspruch der roten Karte in Form der verhaltensbedingten Kündigung zunächst die gelbe Karte in Form einer Abmahnung gezeigt werden muss. Denn zu einer Kündigung darf der Arbeitgeber immer nur als letztes Mittel greifen.
Ebenso wie im Fußball gibt es jedoch auf Fälle, in denen es des Ausspruches einer gelben Karte nicht bedarf und der Arbeitnehmer sofort gekündigt werden kann. Dies ist bei besonders schweren Pflichtverletzungen, insbesondere Straftaten, der Fall.
In allen anderen Fällen ist es stets eine Frage des Einzelfalls, wie viele Abmahnungen einer wirksamen verhaltensbedingten Kündigung vorausgehen müssen. Vor allem bei nicht nur leichten Pflichtverletzungen mag nur eine vorherige Abmahnung ausreichen, wohingegen in anderen Fällen auch eine Vielzahl weiterer Abmahnungen eine Kündigung nicht rechtfertigen vermag.
4. „Wenn im Arbeitsvertrag keine Probezeit vereinbart ist, genießt der Arbeitnehmer sofort Kündigungsschutz.“
Die (Nicht-)Vereinbarung einer Probezeit im Arbeitsverhältnis („Die ersten vier Monate gelten als Probezeit“ bzw. im Arbeitsvertrag fehlt eine Regelung zur Probezeit) hat auf die Frage, ob und ab wann der neueingestellte Mitarbeiter Kündigungsschutz genießt, keinen Einfluss.
Denn das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sieht in seinen § 1 Abs. 1 KSchG selbst eine sog. sechsmonatige Wartezeit vor. Dies bedeutet, dass das Gesetz nach seinem eindeutigen Wortlaut nur auf Arbeitsverhältnisse Anwendung findet, die länger als 6 Monate bestehen. Diese gesetzliche Regelung kann durch eine Vereinbarung über eine Probezeit weder verkürzt noch verlängert werden. In den ersten sechs Monate des Bestands des Arbeitsverhältnisses gilt daher die Devise: Der Arbeitgeber braucht für den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung keinen Grund!
Die Vereinbarung einer Probezeit im Arbeitsvertrag geht jedoch nicht ins Leere, sondern hat zur Konsequenz, dass in den ersten sechs Monaten die Grundkündigungsfrist von regelmäßig vier Wochen zum 15. oder Monatsende auf bis zu zwei Wochen (in Tarifverträge teilweise bis auf einen Tag) gekürzt werden kann.
5. „In dem Kündigungsschreiben muss ein Kündigungsgrund angegeben werden.“
Die inhaltlichen Anforderungen an ein wirksames Kündigungsschreiben sind denkbar einfach. Es muss nur der Wille zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erkennbar zum Ausdruck kommen. Die Angabe des Grundes für die Kündigung bedarf es im Kündigungsschreiben nicht. Eine Kündigung durch den Arbeitgeber muss daher nur wie folgt lauten:„Sehr geehrte Frau / Sehr geehrter Herr, hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich unter Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist zum nächst zulässigen Termin. Dies ist nach unserer Berechnung der __.__.____.“
Etwas anderes gilt nur im Falle der Kündigung gegenüber einer schwangeren Arbeitnehmerin und der Kündigung des Ausbildungsverhältnisses nach der Probezeit. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber im Kündigungsschreiben selbst die Kündigungsgründe angeben.
In allen anderen Fällen muss der Arbeitgeber erst im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses Farbe bekennen und die Gründe für die sachliche Rechtfertigung des Arbeitsverhältnisses angeben. Lediglich im Falle einer außerordentlichen Kündigung hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, den Arbeitnehmer auch außergerichtlich zur Darlegung der Kündigungsgründe aufzufordern.
6. „Bei Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags verhängt die Agentur für Arbeit eine Sperrzeit.“
Regelmäßig kommt es vor, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer über den Inhalt eines Aufhebungsvertrages grundsätzlich einig sind, dessen Unterzeichnung jedoch daran scheitert, dass der Arbeitnehmer die Verhängung einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeldbezug befürchtet.
In vielen Fällen ist diese Befürchtung mittlerweile unberechtigt. Nach § 159 Abs. 1 SGB III wird eine Sperrzeit dann nicht verhängt, wenn der Arbeitnehmer für den Abschluss des Aufhebungsvertrages einen wichtigen Grund hat, er insoweit also gerechtfertigt ist. Die Agentur für Arbeit hat ihre diesbezügliche Dienstanweisung zu Beginn des Jahres 2017 zu Gunsten der Arbeitnehmer geändert. Hiernach sind Aufhebungsverträge nunmehr immer dann sperrzeitneutral, wenn
- eine Kündigung durch den Arbeitgeber mit Bestimmtheit in Aussicht gestellt worden ist,
- die drohende Arbeitgeberkündigung auf betriebliche oder personenbezogene (nicht aber verhaltensbedingte) Gründe gestützt würde,
- im Falle der Arbeitgeberkündigung die Kündigungsfrist eingehalten würde,
- der Arbeitnehmer nicht unkündbar war
- und eine Abfindung in Höhe von bis zu maximal 0,5 Monatsgehältern für jedes Jahr des Arbeitsverhältnisses an den Arbeitnehmer gezahlt wird.
Eine Sperrzeit droht daher in Zukunft grundsätzlich nur noch in Fällen, in denen dem Aufhebungsvertrag eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers zugrunde liegt, oder der Arbeitnehmer eine höhere Abfindung als 0,5 Monatsgehälter für jedes Beschäftigungsjahr erhalten soll.
7. „Minijobber / Geringfügig Beschäftigte / 450 EUR Kräfte sind doch keine richtigen Arbeitnehmer.“
Minijobber sind geringfügig Beschäftigte, deren monatlicher Verdienst 450 EUR nicht übersteigt (daneben gibt es noch die Zeitgeringfügigkeit, die dann vorliegt, wenn die Beschäftigung auf nicht mehr als zwei Monate oder 50 Arbeitstage beschränkt ist).
Die geringfüge Beschäftigung hat nur Auswirkungen im Sozialversicherungsrecht und Steuerrecht. Minijobber müssen keine Beträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zahlen. Von der Rentenversicherungspflicht können sie sich befreien lassen. Der Arbeitgeber trägt einen pauschalen Beitrag zur Kranken- und Rentenversicherung. Zudem ist eine Pauschalierung der Lohnsteuer, des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer möglich.
Arbeitsrechtlich hat die Qualifizierung als geringfügige Beschäftigung jedoch keine Auswirkungen. Minijobber sind keine Arbeitnehmer zweiter Klasse, sondern genießen alle Rechte und Pflichten wie allen anderen Arbeitnehmer des Betriebes auch. Sie haben insbesondere Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlten Urlaub. Darüber hinaus zählen sie auch bei Schwellenwerten für die Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften mit.
8. „Arbeitsverträge sind nur wirksam, wenn sie unterschrieben worden sind.“
Das Arbeitsrecht kennt nur gesetzliche Formvorschriften für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. So bedürfen Kündigung und Aufhebungsvertrag der Schriftform, d.h. sie sind nur wirksam bei einer eigenhändigen Unterschrift.
Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses ist hingegen auch formlos möglich. Ein Arbeitsvertrag kann daher auch wirksam mündlich geschlossen werden. Im Regelfall genügt sogar die bloße Arbeitsaufnahme durch den Arbeitnehmer, dass ein Arbeitsverhältnis zustande kommt.
Vorsicht ist aus Arbeitgebersicht nur bei befristeten Arbeitsverträgen geboten. Insoweit gilt es nämlich zu beachten, dass die Abrede über die Befristung des Arbeitsverhältnisses (nicht der Arbeitsvertrag selbst) schriftlich erfolgen muss. Wird diese Formvorschrift nicht beachtet, fängt der Arbeitnehmer beispielsweise vor Unterschrift das Arbeiten an, kommt grundsätzlich ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande.
9. „Wenn man nicht arbeitet, hat man auch keinen Anspruch auf Urlaub.“
Urlaub dient der Erholung von der Arbeit. Daher wäre es eigentlich logisch, dass man nur dann einen Anspruch auf Urlaub erwirbt, wenn man auch tatsächlich seine Arbeitsleistung erbringt.
Doch die Rechtslage ist eine andere: Auch während eines ruhenden Arbeitsverhältnisses entsteht jedes Kalenderjahr ein neuer Anspruch auf Erholungsurlaub. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der Arbeitnehmer längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt oder in Elternzeit ist. Lediglich im Falle der Elternzeit hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, durch einseitige Erklärung den Urlaubsanspruch für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen. In allen anderen Fällen kann der Arbeitgeber keine Gegenmaßnahmen ergreifen, sondern allenfalls darauf hoffen, dass der Urlaubsanspruch infolge Zeitablauf verfällt (15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres).
10. „Während einer Krankschreibung hat man das Bett zu hüten.“
Während der Arbeitsunfähigkeit darf der Arbeitnehmer sich nicht genesungswidrig verhalten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der krankgeschriebene Arbeitnehmer quasi vom normalen sozialen Leben ausgeschlossen ist und strikt das Bett zu hüten hat.
Er hat (nur) alles zu unterlassen, was seine Genesung verzögern könnte. Welches Verhalten einer schnellen Genesung des Arbeitnehmers entgegenstehen könnte, bestimmt nicht der Arbeitgeber, sondern der behandelnde Arzt. Denn welche Tätigkeiten den Heilungsprozess verzögern oder gefährden können, richtet sich nach dem diagnostizierten Krankheitsbild. In vielen Fällen dürfte es daher sogar für eine Genesung förderlich sein, wenn der Arbeitnehmer seine Wohnung verlässt und am sozialen Leben teilnimmt.