In einer Nachtsitzung vom 23.03.2021 hat die Ministerpräsidentenkonferenz einen „verschärften Osterlockdown“ beschlossen. Noch am gleichen Tage hat die bayerische Staatsregierung diese durch Verlängerung und Anpassung der 12. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung umgesetzt. Ohne diese Beschlüsse im einzelnen zu kritisieren und „auseinander zu nehmen“ – wozu es reichlich Anlass gäbe – beschränken wir uns mit unserem Beitrag heute auf die arbeitsrechtliche Bedeutung dieses Lockdowns. Leider sind dieser Nachtbeschluss und seine Umsetzung mal wieder mehr als mangelhaft.
Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 23.03.2021
Kolportiert wurde, dass der 01.04.2021 (Gründonnerstag) in diesem Jahr zum Zwecke des verschärften Lockdown einmalig als „Ruhetag“ bestimmt werden sollte. Der Beschluss lautet insoweit:
„4. Angesichts der ernsten Infektionsdynamik wollen Bund und Länder die Ostertage nutzen, um durch eine mehrtägige, sehr weitgehende Reduzierung aller Kontakte das exponentielle Wachstum der 3. Welle zu durchbrechen. Deshalb sollen der 1. April (Gründonnerstag) und der 3. April (Samstag) 2021 zusätzlich einmalig als Ruhetage definiert werden und mit weitgehenden Kontaktbeschränkungen sowie einem Ansammlungsverbot vom 1. bis 5. April verbunden werden („Erweiterte Ruhezeit zu Ostern“). Es gilt damit an fünf zusammenhängenden Tagen das Prinzip #WirBleibenZuHause.“
Die entsprechende Umsetzung durch die bayerische Staatsregierung lautet in den entscheidenden Passagen auszugsweise wie folgt:
„2.1.1 Die Tage vom 1. April (Gründonnerstag) bis zum 5. April (Ostermontag) 2021 sind Ruhetage, an denen inzidenzunabhängig landesweit Folgendes gilt („Erweiterte Ruhezeit zu Ostern“):
• (…)
• Betriebe, Ladengeschäfte, Unternehmen und Behörden bleiben am 1. April 2021 (Gründonnerstag) und am 3. April 2021 (Karsamstag) wie an den Osterfeiertagen geschlossen; am Samstag, den 3. April 2021, wird ausschließlich der Lebensmittelhandel geöffnet.“
Einordnung
Aus den entsprechenden Pressemitteilungen ergibt sich, dass der Gedanke hinter diesen Regelungen war, den Gründonnerstag im Jahr 2021 einmalig zu einem Feiertag zu machen. Diese Absicht lässt sich aber in den Beschlüssen und Verordnungen (Stand 23.03.2021) nicht wiederfinden. In dem Beschluss der MPK heißt es hierzu lediglich, dass diese Tage „zusätzlich einmalig als Ruhetage definiert werden“ sollen, im Beschluss der Staatsregierung wird der Begriff des Ruhetags wiederholt und im Folgenden – womöglich in leider vergeblicher Klarstellungsabsicht – ausgeführt, dass an diesen Tagen „wie an den Osterfeiertagen“ geschlossen werden solle. Beide Rechtsgrundlagen vermeiden den Begriff des Feiertags. Kommuniziert wird allerdings, dass es sich hierbei gleichwohl um Feiertage handeln soll.
Was bedeutet das nun arbeitsrechtlich:
§ 9 ArbZG gilt, ebenso wie § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz, ausdrücklich nur für „gesetzliche Feiertage“. Da aber eine gesetzliche Anordnung für den Gründonnerstag 2021 fehlt– bislang gibt es lediglich eine Verordnung –, ist dieser folglich auch kein gesetzlicher Feiertag im Sinne dieser Vorschriften. In der Konsequenz bedeutet dies also, dass das Arbeitszeitgesetz jedenfalls die Arbeit an Gründonnerstag 2021 ebenso wenig verbietet, wie andererseits die Ausnahmen zum Feiertagsarbeitsverbot in diesem Gesetz ebenfalls nicht gelten können. Diese Ausnahme gelten z.B. für Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, etc. Unter bestimmten Voraussetzungen kann aber während einer Epidemielage auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes die Exekutive entsprechende Verordnungen erlassen, bei deren Nichtbeachtung ein empfindliches Bußgeld die Folge ist. Wir sind daher der Auffassung, dass die Schließung der Betriebe dem Grunde nach auf Basis des Infektionsschutzgesetzes möglich ist – wobei wir an dieser Stelle ausdrücklich nicht die Frage erörtern, ob die konkrete Umsetzung im einzelnen verfassungskonform ist, woran berechtigte Zweifel bestehen. Wenn nun aber das Infektionsschutzgesetz die Grundlage ist, gibt es aber keine Ausnahmen, es sei denn, dass diese in der entsprechenden Verordnung geregelt sind. Nach diesen Ausnahmen für Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, etc. sucht man aber in den Beschlüssen vergeblich. Beabsichtigt war dies offensichtlich nicht, nur schlampig umgesetzt. Hier mag man die Formulierung heranziehen, dass die Tage „wie die Feiertage“ behandelt werden sollen, um mit viel Wohlwollen auszulegen, dass die für Feiertage geltenden Ausnahmen auch hier gelten sollen. Rechtssicherheit sieht allerdings anders aus.
Nach dem Text der vorliegenden Beschlüsse und Verordnung dürfte ein Arbeiten im Home-Office aber zulässig sein. Das wäre lediglich bei einem gesetzlichen Feiertag ausgeschlossen. Wenn der Betrieb aber geschlossen wird, erfasst dies nicht die Arbeit vom Home-Office aus. Denn dafür muss ich den Betrieb nicht betreten. Beabsichtigt ist das offensichtlich nicht, findet sich allerdings nicht in der Regelung wieder.
Da auch § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz nicht greift, gibt es auf dieser Grundlage jedenfalls keinen Vergütungsanspruch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wenn also an diesem Tag nicht gearbeitet werden kann, weil der Betriebs geschlossen ist, stellt sich die Frage, ob überhaupt Anspruch auf Entgelt besteht. Grundsätzlich gilt: Ohne Arbeit kein Lohn, es sei denn es greift eine Ausnahmevorschrift. Das Entgeltfortzahlungsgesetz greift, wie ausgeführt, nicht. Denkbar bliebe gegebenenfalls Urlaub oder die Freizeitnahme aus einem Arbeitszeitkonto. Ist auch dies nicht gewünscht, verbleibt nur noch ein Anspruch auf Bezahlung nach § 615 BGB, dem sogenannten Annahmeverzug. Diese Vorschrift besagt unter anderem, dass wenn aufgrund einer staatlichen Maßnahme nicht gearbeitet werden kann oder darf, dies grundsätzlich dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers unterliegt, was dazu führt, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Anspruch auf Entgeltzahlung nicht verlieren. Hier gibt es allerdings diverse Voraussetzungen und die Möglichkeit, anderen Verdienst oder Einkünfte anzurechnen. Im Sinne der Rechtssicherheit ist auch dies eine zutiefst unbefriedigende Lösung.
Schließlich sind wir der Auffassung, dass diejenigen, die trotz der Verordnungen an Gründonnerstag arbeiten müssen, weil sie in Bereichen der Daseins- und Gesundheitsvorsorge tätig sind, aufgrund der Regelungen keinen Anspruch auf Zahlung von Feiertagszuschläge haben. Einige Tarifverträge sehen dies vor. Dieser Anspruch besteht allerdings nach unserer Überzeugung in der Regel nur bei gesetzlichen Feiertagen. Gründonnerstag 2021 wird aus den vorgenannten Gründen hier allerdings nicht zu einem gesetzlichen Feiertag, weswegen es auch keinen Anspruch auf Feiertagszuschläge gibt.
Und nun?
Arbeitgebern sei anempfohlen, sich der Schließungsverfügung zu beugen, da die Bußgeldandrohung nach dem Infektionsschutzgesetz durchaus empfindlich sein können. Wir gehen weiter davon aus, dass auch die Ausnahme nach dem Arbeitszeitgesetz auch für den Gründonnerstag gelten, wenn auch von der Exekutive nur äußerst mangelhaft umgesetzt. Wer also einen Betrieb hat, in dem an Sonn- und Feiertagen gearbeitet werden darf, kann davon ausgehen, dass das auch am Gründonnerstag 2021 gilt. Alle anderen Arbeitnehmer dürften Anspruch auf bezahlte Freistellung haben, die nicht einseitig auf Urlaub angerechnet werden kann. Ein Anspruch auf Zuschläge für Feiertagsarbeit sehen wir allerdings für diejenigen nicht, die trotzdem an Gründonnerstag arbeiten müssen.
Wir müssen leider feststellen, dass diese Verordnungen rechtstechnisch einen neuen Tiefpunkt erreichen. Vieles ist unklar, vieles ist unsicher, die Umsetzung wird im Nachgang zu überprüfen sein, gegebenenfalls auch durch Gerichtsverfahren. Das ist aber unnötig, teuer, zeitaufwendig und nervtötend.
Bereits mit dem Beitrag vom 01.03.2019 hatten wir über die Verhandlung berichtet. Nunmehr ist die Entscheidung veröffentlicht:
Arbeitgeber in der Europäischen Union müssen die Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer systematisch erfassen. Hierzu verpflichtet die Arbeitszeitrichtlinie und die Grundrechtecharta der Europäischen Union, so der EuGH in Luxemburg.
Nur so lasse sich überprüfen, ob zulässige Arbeitszeiten überschritten würden. Und das garantiere die in EU-Richtlinien und in der EU-Grundrechtecharta zugesicherten Arbeitnehmerrechte.
Die Deutsche Bank unterlag damit der Klage aus Spanien. (Rechtssache C-55/18) Grund ist allerdings auch die Rechtslage in Spanien, auf die sich die Deutsche Bank berief. Der Gerichtshof stellt fest, dass ohne ein System, mit dem die tägliche Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmers gemessen werden kann, weder die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden noch die Zahl der Überstunden objektiv und verlässlich ermittelt werden könne.
Auswirkungen auf Deutschland
Die in Deutschland vorgegebene, grundsätzliche Erfassung nur von Mehrarbeit im Arbeitszeitgesetz reiche danach auch nicht aus. So sei es für die Arbeitnehmer praktisch unmöglich, ihre Rechte – etwa auf wöchentliche Höchstarbeitszeit oder vorgesehene Ruhezeiten – durchzusetzen. Deshalb verpflichtete der EuGH mit seinem Urteil nun die EU-Mitgliedstaaten, ein System zur systematischen Erfassung der Arbeitszeiten zu bestimmen, an das sich die Arbeitgeber halten müssen.
Das Urteil wird große Auswirkungen auf den Arbeitsalltag auch in Deutschland haben, da Arbeitszeiten nach wie vor von vielen Arbeitgebern systematisch nicht erfasst werden.
Nach Ansicht des Generalanwalts beim EuGH sollen Arbeitgeber aus Gründen des Unionsrechts verpflichtet sein, die tägliche Arbeitszeit aller Arbeitnehmer zu dokumentieren.
Hintergrund
Wie lange dürfen Arbeitnehmer täglich arbeiten? Welche Ruhezeit ist nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit einzuhalten? Wann und wie lange müssen Ruhepausen gemacht werden? Diese und weitere Fragen bzgl. der Arbeitszeit werden in der sog. Arbeitszeitrichtlinie (2003/88)EG) geregelt. Mit Erlass dieser europaweit einheitlichen Mindestvorgaben bezweckte die EU, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten.
Der deutsche Gesetzgeber hat diese europäischen Vorgaben (unter anderem) im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) umgesetzt.
Eine generelle Pflicht zur Erfassung der täglichen Arbeitszeiten der Arbeitnehmer sieht das Arbeitszeitgesetz nicht vor. Nach § 16 Abs. 2 ArbZG ist der Arbeitgeber lediglich verpflichtet, die über 8 Stunden hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer sowie eine etwaige Arbeitszeit an Sonn- und Feiertage zu dokumentieren. Lediglich die Arbeitszeit von Kraftfahrern ist generell, d.h. von der ersten Stunde an, aufzuzeichnen, § 21a Abs. 7 ArbZG. Dies gilt nach § 17 Abs. 1 Mindestlohngesetz (MiLoG) auch für die Arbeitszeiten von geringfügigen Beschäftigten außerhalb von Privathaushalten (sog. Minijobbern) und Arbeitnehmern in Branchen, die in den Anwendungsbereich des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz fallen (z.B. Baugewerbe, Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, Personenbeförderungsgewerbe, Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe, Gebäudereinigungsgewerbe, Fleischwirtschaft). Die Arbeitszeitaufzeichnungen sind mindestens zwei Jahre aufzubewahren. Bei einem Verstoß gegen diese Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht droht ein Bußgeld bis zu 15.000 EUR bzw. 30.000 EUR.
Abgesehen von diesen Sonderregeln sind Unternehmen nach geltender Rechtslage nicht verpflichtet, die werktägliche Arbeitszeiten ihrer sozialversicherungspflichtigen Mitarbeiter generell zu dokumentieren. Ob dies auch zukünftig der Fall sein wird, erscheint aufgrund eines Schlussantrags des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof fraglich.
Beim EuGH anhängige Rechtssache C-55/18
Mit dem beim Europäischen Gerichtshof aufgrund eines Vorabentscheidungsverfahren anhängigen Rechtsstreit wollen spanische Gewerkschaften gegenüber einer Deutschen Bank Tochter durchsetzen, dass ein System zur Erfassung der von den Arbeitnehmern geleisteten täglichen effektiven Arbeitszeit eingeführt wird.
Im Rahmen dieses Rechtsstreits hat am 31.01.2019 der Generalanwalt seinen sog. Schlussantrag veröffentlicht. Hierbei handelt es sich um eine Art Rechtsgutachten und Entscheidungsvorschlag für die zuständigen Richter. Der Generalanwalt kommt hierbei zu dem Ergebnis, dass Unternehmen aufgrund der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) verpflichtet seien, ein System zur Erfassung der täglichen effektiven Arbeitszeit für Vollzeitarbeitnehmer einzuführen, die sich nicht ausdrücklich individuell oder kollektiv zur Ableistung von Überstunden verpflichtet hätten und die keine mobilen Arbeitnehmer, Arbeitnehmer in der Handelsmarine oder Arbeitnehmer im Eisenbahnsektor seien. Jedoch stehe es den Mitgliedsstaaten frei, auf welche Art und Weise sie eine Verpflichtung zur Erhebung der effektiven täglichen Arbeitszeit vorsehen.
Zur Begründung verweist der Generalanwalt darauf, dass nur durch eine Verpflichtung der Arbeitgeber zur umfassenden Arbeitszeiterfassung gewährleistet sei, dass die unionsrechtlichen Arbeitszeitvorgaben eingehalten und auch überprüft werden können. Ohne umfassende Arbeitszeitdokumentationen könnten weder das Ausmaß tatsächlich geleisteter Arbeit und die Lage der Arbeitszeiten objektiv und sicher festgestellt werden noch zwischen Regelarbeitszeit und Überstunden unterschieden werden. Die Kontrolle der Arbeitszeitvorgaben durch die zuständigen Behörden sowie der Rechtsschutz des einzelnen Arbeitnehmers wären daher ohne Arbeitszeitaufzeichnungen wesentlich erschwert.
Praxishinweis
Die Richter des Europäischen Gerichtshofs sind bei ihrer Entscheidungsfindung nicht an die Schlussanträge des Generalanwalts gebunden. Allerdings folgt das Gericht den Entscheidungsvorschlägen häufig. In diesem Fall wäre der deutsche Gesetzgeber zum Handeln verpflichtet. Denn das deutsche ArbZG wird den vom Generalanwalt aufgestellten Anforderungen nicht gerecht. Es sieht (bisher) keine generelle Pflicht zur umfassenden Arbeitszeiterfassung, also von der ersten Stunde an, vor.
Doch auch auf die Unternehmen kämen erhebliche Arbeiten zu. Umfassende Arbeitszeiterfassungssysteme müssten eingeführt bzw. vorhandene Systeme um eine Komponente erweitert werden, durch welche die arbeitsschutzrechtliche Arbeitszeit dokumentiert wird. Sofern die Arbeitszeitaufzeichnungen elektronisch erfolgen sollen, wäre hierbei ein etwaig bestehender Betriebsrat zu beteiligen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).
Mithilfe dieser umfassenden Arbeitszeitaufzeichnungen des Arbeitgebers könnte der einzelne Arbeitnehmer zukünftig eine Überstundenvergütung wesentlich einfacher durchsetzen, denn er hätte einen Beleg für seine geleisteten Arbeitszeiten. Sollte der Arbeitgeber keine Arbeitszeitaufzeichnungen vornehmen, würde dies wohl im Rahmen eines Überstundenprozesses zu einer Beweislastumkehr bzw. Beweiserleichterung zugunsten des Arbeitnehmers führen.
Wie der Europäische Gerichtshof letztlich entscheidet, werden Sie auch im Rahmen des Blogs erfahren. Wir halten Sie auf dem Laufenden!