25.09.2025

Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Einrichtung und Ausgestaltung interner Hinweisgebermeldestellen

Zuletzt beschäftigte sich das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein im Rahmen eines Beschlussverfahrens (Beschluss vom 08.07.2025 – 2 TaBV 16/24) mit der Frage, ob die Einrichtung einer internen Meldestelle auch dann der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterfällt, wenn diese auf eine externe Stelle – in diesem Fall auf eine Rechtsanwaltskanzlei – ausgelagert wird.

Beschlussverfahren vor dem LAG Schleswig-Holstein

Sachverhalt

Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2) produziert u.a. Verpackungsmaterialien und bietet entsprechende Services an. Sie beschäftigt rund 230 Mitarbeitende. Der Antragssteller ist der im Betrieb der Arbeitgeberin gegründete Betriebsrat.

Die Arbeitgeberin hatte in Wahrnehmung ihrer Pflichten aus §§ 12 ff. Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) eine interne Meldestelle bei einer externen Rechtsanwaltskanzlei eingerichtet und die Beschäftigten über einen entsprechenden Aushang darüber informiert.

§§ 12 ff. HinSchG verpflichten Arbeitgeber mit in der Regel 50 oder mehr Beschäftigten zur Einrichtung und zum Betrieb einer internen Meldestelle.

Eine Beteiligung des Betriebsrats erfolgte nicht. Die Arbeitgeberin vertrat im Rahmen des Beschlussverfahrens die Auffassung, die Einreichung der Meldestelle sei mitbestimmungsfrei. Durch die Einrichtung der Meldestelle – ob intern oder extern – komme sie allein deren gesetzlichen Verpflichtungen nach, ohne dass das mitbestimmungspflichtige Ordnungsverhaltender Arbeitnehmer betroffen sei. Insbesondere bestehe keine Meldepflicht – die Nutzung des Meldekanals ist für die Arbeitnehmer freiwillig. Einen mitbestimmungspflichtigen Gestaltungsspielraum erkenne sie hier demnach nicht.

Der Betriebsrat sah dies anders – durch das Verhalten sei sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG verletzt. Dieses bleibe auch dann bestehen, wenn der Arbeitgeber eine interne Meldestelle nach dem HinSchG extern betreibe.

Der Betriebsrat beantragte nach ergebnislosem Einigungsstellenverfahren vor dem Arbeitsgericht Elmshorn, die Untersagung des weiteren Betriebs der Meldestelle ohne die Zustimmung des Betriebsrats. Mit Erfolg – nun bestätigte auch das LAG die erstinstanzliche Entscheidung:

Beschluss des LAG – 08.07.2025 – 2 TaBV 16/24

Das LAG Schleswig-Holstein bestätigt den erstinstanzlichen Beschluss. In seinem amtlichen Leitsatz hält es fest:
„Die Einrichtung einer Meldestelle nach § 12 HinSchG unterfällt der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auch bei einer Auslagerung an eine externe Rechtsanwaltskanzlei. Würde die Mitstimmung des Betriebsrates bei einer Auslagerung an Dritte entfallen, käme es zu einer ungewollten Schutzlücke.“

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist zwar auf die Fälle beschränkt, in denen eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht bestehen. Insoweit besteht kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Frage des „Ob“ der Einrichtung einer Meldestelle – diese ist mitbestimmungsfrei, da der Arbeitgeber hier lediglich seinen Pflichten aus §§ 12 ff. HinSchG nachkommt.

Hinsichtlich der Ausgestaltung des Meldesystems und -verfahrens sowie deren Folgemaßnahmen nach einer Meldung enthält das HinSchG jedoch nur wenige oder keine Anhaltspunkte. Damit bestehen hinsichtlich der Frage des „Wie“ – hierzu zählt beispielsweise die Wahl des Meldewegs und der Meldestelle sowie Fragen der Anonymität – großzügige Spielräume für die Arbeitgeberin. Die Ausgestaltung dieser Fragen durch die Arbeitgeberin stellen Maßnahmen dar, welche die Gestaltung des kollektiven Miteinanders bzw. die Aufrechterhaltung der gegebenen Ordnung des Betriebs beeinflussen bzw. gewährleisten und damit das mitbestimmungspflichtige Ordnungsverhalten  gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG der Arbeitnehmer im Betrieb betreffen.

Damit folgt das LAG der ständigen Rechtsprechung des höchsten deutschen Arbeitsgerichts. Danach können auch freiwillige oder unverbindliche Angebote des Arbeitgebers mitbestimmungspflichtig sein, wenn sie geeignet sind, die betriebliche Ordnung zu steuern – dies sei hier der Fall.

Praxishinweis

Die Entscheidung stellt klar: Arbeitgeber können sich ihren Pflichten der Mitbestimmung nicht durch die Vergabe an Dritte entziehen – das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bleibt auch dann bestehen, wenn eine Meldestelle nach dem Hinweisgeberschutzgesetz extern betrieben wird.

Die vorstehend besprochene Entscheidung dürfte auch auf andere Arbeitnehmer-Interessenvertretungen übertragbar sein, sofern dem nicht grundsätzliche Erwägungen der einschlägigen Regelungen entgegenstehen und sich vergleichbare Regelungen in den Vorschriften zur Mitbestimmung finden (siehe bspw. § 29 Abs. 1 Nr. 3 MAVO der AVR Caritas und Art. 76 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayPVG).

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