Schadensersatz bei fehlender Zielvereinbarung
Ein schuldhafter Verstoß des Arbeitgebers gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, mit dem Arbeitnehmer für eine Zielperiode Ziele zu vereinbaren, an deren Erreichen eine Bonuszahlung geknüpft ist, löst jedenfalls nach Ablauf der Zielperiode nach § 280 I, III BGB i. V. m. § 283 S. 1 BGB grds. einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung aus. (amtl. Leitsatz)
BAG, Urteil vom 17.12.2020 – 8 AZR 149/20
Sachverhalt:
Die Parteien streiten darüber, ob der klagende Arbeitnehmer vom beklagten Arbeitgeber Schadensersatz wegen entgangener Bonuszahlung verlangen kann.
Der Kläger war bei der Beklagten als „Head of Operations“ beschäftigt. Neben einem Fixgehalt war im Arbeitsvertrag eine erfolgsabhängige variable Vergütung (Bonus) i. H. v. bis zu 21.000 EUR pro Jahr vereinbart. Nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis erhob der Kläger eine Forderungsklage wegen entgangener variabler Vergütung in Folge einer weder für das Jahr 2016 noch für das Jahr 2017 abgeschlossenen Zielvereinbarung.
Entscheidung:
Das ArbG hat dem Kläger mit Blick auf das unterjährige Ein- und Ausscheiden einen anteiligen Bonusanspruch von 15.750 EUR zugesprochen. Das LAG hat das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage vollständig abgewiesen.
Die Revision des Klägers war im Wesentlichen begründet. Aus der Sicht des BAG hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen entgangener erfolgsabhängiger variabler Vergütung (Bonus), wobei sich der Höhe nach der Anspruch unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils des Klägers von 10 % auf 14.175 EUR brutto beläuft.
Praxishinweis:
Bonusvereinbarungen neben einem Fixgehalt finden sich mittlerweile häufig in Arbeitsverträgen, insbesondere von Führungskräften. Aus Arbeitgebersicht soll ein variabler, meist von bestimmten Zielen abhängiger Bonus eine Anreizfunktion schaffen. Der mit einer Bonuszahlung von Arbeitgebern zugleich verfolgte Motivations- und Leistungssteigerungszweck wird in der Praxis manchmal auf Arbeitgeberseite aber etwas nachlässig umgesetzt: Unterbliebene Zielvereinbarungen sind nicht unüblich. Die Rechtsfolgen solcher Verstöße von Arbeitgebern gegen ihre vertraglichen Verpflichtungen zeigt das BAG in der vorliegenden Entscheidung in aller Klarheit auf.
In ihren Orientierungssätzen haben die Richterinnen und Richter des BAG quasi als Arbeitshilfe für die Praxis demgemäß festgehalten (im Folgenden auszugsweise wiedergegeben):
1. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine erfolgsabhängige, von erreichten Zielen abhängige variable Vergütung zugesagt, ist zwischen Zielvereinbarungen und Zielvorgaben zu unterscheiden. Bei Zielvereinbarungen werden die Ziele, von deren Erreichen die variable Vergütung abhängt, von den Arbeitsvertragsparteien gemeinsam festgelegt. Demgegenüber werden Zielvorgaben allein vom Arbeitgeber getroffen, dem dafür ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht i. S. d. § 315 I BGB eingeräumt ist. (…).
2. Verstößt der Arbeitgeber schuldhaft gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, für eine Zielperiode gemeinsam mit dem Arbeitnehmer Ziele festzulegen, kann dies nach Ablauf der Zielperiode einen Schadensersatzanspruch (…) auslösen. (…)
3. Sofern ein Arbeitgeber schuldhaft kein Gespräch mit dem Arbeitnehmer über eine Zielvereinbarung geführt hat, ist die bei Zielerreichung zugesagte variable Vergütung für eine abstrakte Schadensberechnung nach § 252 S. 2 BGB Grundlage zur Ermittlung des durch den Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zu ersetzenden Schadens.
4. Grds. ist davon auszugehen, dass ein Arbeitnehmer vereinbarte Ziele erreicht hätte. Soweit besondere Umstände diese Annahme ausschließen, obliegt es dem Arbeitgeber, diese darzutun und gegebenenfalls zu beweisen.
5. Bei Zielvereinbarungen ist – anders als bei Zielvorgaben – die Festlegung der Ziele nicht allein Aufgabe des Arbeitgebers. Vielmehr bedarf es der Mitwirkung des Arbeitnehmers. Sofern allein aus dem Verschulden des Arbeitnehmers eine Zielvereinbarung nicht zustande gekommen ist, verletzt dieser eine vertragliche Nebenpflicht und hat weder einen Anspruch auf die variable Vergütung noch einen entsprechenden Schadensersatzanspruch.
6. (…)
7. Kommt eine Zielvereinbarung aus Gründen nicht zustande, die sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer zu vertreten haben, ist das Mitverschulden des Arbeitnehmers nach § 254 BGB angemessen zu berücksichtigen.