Ausschlussfrist ohne Wirkung bei vorsätzlichem Schadensersatz – auch für den Arbeitgeber
Bekannt ist im Arbeitsrecht, dass Ansprüche zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oftmals deutlich früher nicht mehr durchsetzbar sind als nach der üblichen Verjährung von 3 Jahren. Ursache sind die im Arbeitsvertrag üblichen Ausschluss- oder Verfallklauseln. Hat der Anspruchsinhaber seine Forderung nicht innerhalb von 3 Monaten in Textform geltend gemacht und bei Ablehnung oder passivem Verhalten des Anspruchsgegners nicht weitere 3 Monate später Klage erhoben, ist der Anspruch endgültig nicht mehr durchsetzbar. Grund für diese Regelungen ist, dass mögliche Ansprüche zwischen den Arbeitsvertragsparteien schnellstmöglich geklärt werden sollen, um das Vertragsverhältnis nicht zu belasten.
Die Ausschlussklauseln werfen jedoch in der Praxis eine Vielzahl von Fragen auf und beschäftigen die Arbeitsgerichte regelmäßig. Bereits entschieden ist, dass gesetzlich zwingende Forderungen wie z.B. Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) von Verfallklauseln nicht erfasst werden und ausdrücklich ausgenommen werden müssen, will der Verwender der Klausel – regelmäßig der Arbeitgeber – nicht Gefahr laufen, dass seine Ausschlussklausel gänzlich unwirksam ist. Eine unwirksame Regelung in Arbeitsverträgen ist, da diese als Allgemeine Geschäftsbedingungen (im Folgenden: AGBen) angesehen werden, dass die Klausel gänzlich unwirksam ist. Eine geltungserhaltende Reduktion auf ein zulässiges Mindestmaß ist gerade nicht möglich, um den Verwender nicht zu dem Versuch der Durchsetzung einer unzulässigen Klausel zu verleiten. Hat sich der Arbeitgeber zur Aufnahme einer unzulässigen Regelung entschieden, so darf er von dieser erst recht zu seinen Gunsten keinen Gebrauch machen.
Streitig war dies bislang für die Fälle von Schadensersatzansprüchen aus vorsätzlicher Vertragsverletzung oder vorsätzlich unerlaubter Handlung.
Entgegen seiner noch um Jahr 2013 vertretenen Rechtsprechung (Urt. v. 20.06.2013 – 8 AZR 280/12) stellte das BAG mit Urteil vom 26.11.2020, dessen Volltext am 13.04.2021 veröffentlicht wurde, nun ausdrücklich klar, dass von Verfallfristen, die ausnahmslos alle Ansprüche, die sich aus einem Arbeitsverhältnis ergeben, wenn sie nicht binnen bestimmter Fristen geltend gemacht und eingeklagt werden, grundsätzlich auch alle wechselseitigen gesetzlichen und vertraglichen Ansprüche, die die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben, erfasst sind – Schadensersatzansprüche aus vorsätzlicher Vertragsverletzung und aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung eingeschlossen. Eine andere Auffassung, die davon ausgehen will, dass solche Ansprüche von den Parteien im Zweifel nicht gemeint waren, halte dem vereinbarten Wortlaut nicht stand.
Dann ist aber eine solche, auch vorsätzliche Schadensersatzansprüche umfassende Verfallklausel gemäß § 134 BGB unwirksam, da § 202 Abs. 1 BGB verbietet, die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft zu erleichtern. Soweit so klar.
Bislang ging die Rechtsprechung jedoch vom Grundsatz der personalen Teilunwirksamkeit von AGBen aus, der besagte, dass jedenfalls der Verwender/Arbeitgeber eine von ihm verwendete, unwirksame Klausel zumindest gegen sich gelten lassen müsse. Der Arbeitnehmer könne sich auf die Unanwendbarkeit einer Regelung nach den §§ 307 – 309 BGB berufen, der Arbeitgeber zu seinen Gunsten jedoch nicht (BAG, Urt. v. 28.09.2017 – 8 AZR 67/15).
Im vorliegenden Fall äußerte sich das BAG aber nun dahingehend, dass der Arbeitgeber eine solche Klausel unabhängig davon, ob in dem Verstoß gegen § 202 Abs. 1 BGB zugleich eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB liegt und ob die Klausel darüber hinaus ggf. aus anderen Gründen, §§ 307 ff. BGB, unwirksam ist, nicht nach den Grundsätzen über die personale Teilunwirksamkeit von AGBen gegen sich gelten lassen muss. Die Grundsätze der personalen Teilunwirksamkeit finden keine Anwendung, wenn eine Regelung nicht wegen Verstoßes gegen die AGB-Regeln (§§ 307 – 309 BGB), sondern wegen eines anderweitigen Gesetzesverstoßes – hier § 202 BGB – nichtig ist, da letztere nicht dem Schutz des Vertragspartners des Verwenders dienen.
Im hier vom BAG entschiedenen Fall hatte eine angestellte Buchhaltungskraft eigene private Verbindlichkeiten in Höhe von 240.000,- EUR vom Unternehmenskonto bedient. Die Ausschlussfrist, durch die alle aus dem Arbeitsverhältnis entstandenen Forderungen erfasst werden sollten, war unwirksam. Der Arbeitgeber durfte sich jedoch auf die Unwirksamkeit auch zu seinen Gunsten berufen und seine Schadensersatzansprüche noch nach Ablauf der Ausschlussfrist geltend machen.
Praxistipp:
Arbeitgeber, die Formulararbeitsverträge nutzen, sollten aufgrund dieser Entscheidung ihre Muster prüfen und ggf. umgehend durch entsprechende Formulierung anpassen. Entsprechende Klauseln in Formulararbeitsverträgen sollten daher Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung oder vorsätzlicher unerlaubter Handlung ausnehmen.