14.12.2020

Die wichtigsten Schwellenwerte im Arbeitsrecht

Eine der Besonderheiten und Herausforderungen des Arbeitsrechts ist, dass kein einheitliches Arbeitsgesetzbuch existiert; das Arbeitsrecht ist vielmehr geprägt durch eine für den juristischen Laien schier unüberblickbaren Vielzahl von Einzelgesetzen. Erschwerend kommt in diesem Zusammenhang dazu, dass viele Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien von dem Erreichen bestimmer Schwellenwerte abhängig sind, die nicht in sich stimmig sind, sondern stattdessen eher einem systemlosen Flickenteppich gleichen.

Im Folgenden haben wir Ihnen daher einen Überblick über die wichtigsten Schwellenwerte im Arbeitsrecht erstellt, der Ihnen als erste Orientierungshilfe dienen soll.

Bitte beachten Sie, dass die Schwellenwerte nicht immer gleich berechnet werden. Meistens stellen die Regelungen auf „in der Regel beschäftigte Arbeitnehmer“ ab, d.h. es ist die durchschnittliche Belegschaftsstärke entscheidend. Zum Teil kommt es jedoch auch auf eine Stichtagsberechnung an. In manchen Gesetzen werden Arbeitnehmer pro Kopf berechnet, wohingegen andere Gesetze Teilzeitkräfte nur anteilig mitzählen. Ob Auszubildende, Fremdgeschäftsführer und andere besondere Arbeitnehmergruppen mitzuzählen sind, wird ebenso uneinheitlich beantwortet. Zuletzt hat sogar der Betriebsbegriff in verschiedenen Gesetzen einen unterschiedlichen Bedeutungsgehalt. Sie sehen, dass der nachfolgende Überblick keine qualifizierte Rechtsberatung im Einzelfall ersetzen kann.

Anzahl Mitarbeiterabgestellt wird aufArbeitsrechtliche KonsequenzGesetzliche Vorschrift
1BetriebAbhängig von den Anforderungen der zuständigen Berufgenossenschaft kann Bestellung eines Betriebsarztes oder einer FAchkraft für Arbeitssicherheit erforderlich sein§§ 2 ff. ASiG
2BetriebBestellung eines Ersthelfers§ 26 DGUV 1
5Betrieb / DienststelleWahl eines Betriebsrats / Personalrats ist möglich
Größe Betriebsrat ist von Anzahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer abhängig (§ 9 BetrVG)
§ 1 BetrVG, Art. 12 Abs. 1 BayPVG
5 schwerbehinderte / gleichgestellte MenschenBetriebWahl einer Schwerbehindertenvertretung ist möglich§ 177 SGB IX
5 minderjährige Arbeitnehmer oder Auszubildende unter 25 JahrenBetriebWahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung ist möglich§ 60 BetrVG
mehr als 5; besondere Zählweise:
(siehe nächste Spalte)
BetriebKündigungsschutz für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 01.01.2004 begonnen hat§ 23 Abs. 1 KSchG
mehr als 10;
besondere Zählweise:
0-20 Wochenstunden: 0,5
20,01-30 Wochenstunden: 0,75
ab 30,01 Wochenstunden: 1;
Minijobber, mitarbeitender Ehepartner, gekündigter Arbeitnehmer zählen mit;
Azubis, Arbeitgeber und Vertretungsorgane zählen nicht mit
BetriebKündigungsschutz:
Nach sechsmonatigen Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ist eine ordentliche Kündigung nur noch aus verhaltens-, personenbedingten oder betriebsbedingten Kündigung möglich
§ 23 Abs. 1 KSchG
10 leitende AngestellteBetriebBildung eines Sprecherausschusses ist möglich§ 1 SprAuG
11ArbeitsstätteEinrichtung eines Pausenraums4.1 ASR A 4.2
mehr als 15UnternehmenAnspruch auf Pflegezeit§ 3 PflegeZG
mehr als 15UnternehmenAnspruch auf unbefristete Teilzeit§ 8 TzBfG
mehr als 15UnternehmenAnspruch auf befristete Teilzeit während Elternzeit§ 15 Abs. 7 BEEG
20, soweit sie personenbezogener Daten automatisiert verarbeiten (=Bildschirmarbeitsplätze)UnternehmenBestellung eines Datenschutzbeauftragten§ 38 BDSG
20
besondere Zählweise:
Es zählen nur Mitarbeiter mit mehr als 18 Wochenstunden
UnternehmenBeschäftigungspflicht schwerbehinderter Menschen, ggf. Ausgleichsabgabe§ 154 SGB IX
20UnternehmenBestellung eines Sicherheitsbeauftragten§ 22 SGB VII
mehr als 20
Zählweise wie bei § 23 KSchG
BetriebBildung eines Arbeitsschutzausschusses§ 11 ASiG
mehr als 20BetriebMitbestimmung des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen§ 99 BetrVG
mehr als 20BetriebMitbestimmung des Betriebsrats bei Betriebsänderungen (Interessenausgleich und Sozialplan)§§ 111, 112 BetrVG
mehr als 20
(Fremdgeschäftsführer zählen mit)
BetriebPflicht zu Erstattung einer Massenentlassung bei der Agentur für Arbeit bei Entlassung von mehr als 5 Arbeitnehmern innerhalb von 30 Kalendertagen in Betrieben mit mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmer§ 17 KSchG
mehr als 25UnternehmenAnspruch auf Familienpflegezeit§ 2 Abs. 1 FPlZG
bis maximal 30;
besondere Zählweise:
bis 10 Wochenstunden: 0,25
bis 20 Wochenstunden: 0,5
bis 30 Wochenstunden: 0,75
ab 30,01 Wochenstunden: 1
UnternehmenAnspruch des Arbeitgebers auf teilweise Erstattung der Lohnfortzahlungskosten; ab 31 Arbeitnehmer (-)§ 1 AAG
mehr als 45UnternehmenAnspruch auf Brückenteilzeit (=befristete Teilzeit für 1-5 Jahre); prozentuale Zumutbarkeitsgrenze für Arbeitgber mit 46 bis 200 Arbeitnehmer§ 9a TzBfG
bis 50UnternehmenErlaubnisfreie Arbeitnehmerüberlassung zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassung bis zu 12 Monate (vorherige Anzeige bei Agentur für Arbeit erforderlich) § 1a AÜG
60BetriebPflicht zur Erstattung einer Massenentlassung bei der Agentur für Arbeit in Betrieben mit mehr als 60 bis 500 Arbeitnehmern bei Entlassung von 10 % oder mehr als 25 Arbeitnehmern innerhalb von 30 Kalendertagen § 17 KSchG
mehr als 100BetriebBetriebsrat kann Betriebsausschüsse und Arbeitsgruppen bilden§§ 28, 29 BetrVG
mehr als 100UnternehmenPflicht zur Bildung eines Wirtschaftsausschusses, wenn Betriebsrat besteht§ 106 BetrVG
200BetriebFreistellung eines Betriebsratsmitglieds§ 38 BetrVG
201BetriebBetriebsrat bildet Betriebsausschuss zur Führung der laufenden Geschäfte§ 27 BetrVG
300UnternehmenBetriebsrat kann bei Betriebsänderungen einen Berater hinzuziehen§ 111 BetrVG
ab 500Betrieb Pflicht zur Erstattung einer Massenentlassung bei der Agentur für Arbeit bei Entlassung von mindestens Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen§ 17 KSchG
mehr als 500BetriebBetriebsrat kann die Aufstellung von Personalauswahl-Richtlinien§ 95 BetrVG
mehr als 500Unternehmen1/3 des Aufsichtsrates (KGaA, AG, GmbH, Gen) ist mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen§ 1 DrittelbG
mehr als 500UnternehmenBericht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit, Aufforderung zu betrieblichen Prüfverfahren zur Einhaltung der Entgeltgleichheit §§ 17-22 EntgeltTranspG
mehr als 1000UnternehmenGründung eines Europäischen Betriebsrats ist möglich§ 3 EBRG
mehr als 2000UnternehmenAufsichtsrat (KGaA, AG, GmbH, Gen) ist zur Hälfe mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen § , 7 MitbestG

Leiharbeitnehmer sind dann bei den vorgenannten Schwellenwere mitzuzählen, wenn diese „in der Regel“ im Unternehmen/Betrieb beschäftigt sind (vgl. § 14 Abs. 2 S. 5, 6 AÜG: zeitliche Grenze von 6 Monaten). Mit anderen Worten: Wenn ein Dauerarbeitsplatz mit einem Leiharbeitnehmer besetzt ist, zählt dieser zur Belegschaftsstärke. Dies gilt insbesondere auch bei der Frage, ob das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet.