Der digitale Boost in der Personalarbeit
Die Corona-Krise hat der Digitalisierung in Deutschland einen deutlichen Impuls gegeben. Das wurde sicher auch Zeit, auch wenn noch eine Menge aufzuholen ist. Im nachfolgenden Beitrag wollen wir einen Überblick darüber geben, was aus arbeitsrechtlicher Sicht digital möglich ist und wo noch Papier vonnöten ist.
Die Dokumentation von Unterlagen – in welcher Form auch immer – dient der späteren Nachweisbarkeit von bestimmten Vorgängen, Absprachen oder Vereinbarungen. Neben dem Nachweis, DASS etwas tatsächlich geschehen ist, muss auch der Nachweis geführt werden, dass eine rechtlich relevante Erklärung auch in der gesetzlich vorgeschriebenen FORM (schriftlich, Textform, mündlich) vorgenommen wurde. Zunächst wollen wir einen (groben) Überblick über die arbeitsrechtlichen Formvorschriften geben. Hierbei wird sich herausstellen, dass es bestimmte Rechtgeschäfte gibt, die einer Digitalisierung noch gar nicht zugänglich sind. Im zweiten Teil stellen wir die Situation bezüglich der Beweisführung dar.
Formvorschriften im Arbeitsrecht
Im Wesentlichen gibt es im Arbeitsrecht folgende Möglichkeiten: Formlose Erklärungen, Textform, elektronische Form oder Schriftform.
- „Schriftform“ ist die Niederlegung der Erklärung in einem Dokument und eigenhändige Namensunterschrift des Ausstellers. Dies ist etwas, für das die Papierform erforderlich ist. Wird das Dokument lediglich elektronisch erstellt, genügt dies nicht der Schriftform. Im Arbeitsrecht ist bei folgenden Vorgängen nur die Schriftform zulässig, hier führt an der klassischen Ausstellung auf Papier (noch) kein Weg vorbei: Aufhebungsvertrag, Kündigungen (§ 623 BGB), der Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen nach dem Nachweisgesetz oder das Arbeitszeugnis. Auch Betriebsvereinbarungen sind schriftlich abzufassen und aufzubewahren, wobei dies gerade diskutiert wird.
- „Elektronische Form“ die Ersetzung der Schriftform, ergänzt um den Namen des Ausstellers und einer qualifizierten elektronischen Signatur des elektronischen Dokuments (§ 126 a BGB). Eine qualifizierte elektronische Signatur (QES) ist nach dem deutschen Signaturgesetz eine fortgeschrittene elektronische Signatur, die auf einem (zum Zeitpunkt ihrer Erzeugung gültigen) qualifizierten Zertifikat beruht und mit einer sicheren Signaturerstellungseinheit (SSEE) erstellt wurde. Auch wenn der Personalausweis grundsätzlich schon seit 2010 diese Möglichkeit für jedermann vorsieht, läuft die praktische Umsetzung nur sehr schleppend und sehr umständlich, weswegen diese noch nicht sehr verbreitet ist. Die elektronische Form ist zulässig bei der Ablehnung eines Teilzeitverlangens des Arbeitnehmers, die Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses, Geltendmachung von Elternzeit oder Pflegezeit, Befristung eines Arbeitsvertrags, Widerspruch gegen einen Betriebsübergang. Solange aber die qualifizierte elektronische Signatur noch nicht verbreitet ist, sollte hier aber die klassische Schriftform gewahrt werden.
- „Textform“ ist lediglich eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist und auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird (§ 126b BGB). Hierbei kann es sich um E-Mails, normale Schreiben oder sogar WhatsApp Nachrichten handeln.
- Formlos wirksame Erklärungen brauchen für ihre Wirksamkeit keine besondere Form. Hier kann in einem späteren Gerichtsverfahrens der Nachweis durch Zeugen oder durch sogenannten „Augenschein“ geführt werden, die sich an Notizen oder digitalen Dokumentationen orientieren können. In der Regel wird dies durch Fertigung einer Aktennotiz o. ä. erreicht. Hier stellen sich auch später bei der digitalen Archivierung keinerlei Probleme.
Nachweisbarkeit
Im Zivilprozess muss im Zweifel nachgewiesen werden, dass z.B. ein bestimmtes Dokument einem Arbeitnehmer in der gegebenenfalls richtigen Form zugegangen ist, eine Erklärung abgegeben oder ein Rechtsgeschäft vorgenommen worden ist. An diesem Zweck muss sich auch die entsprechende Archivierung orientieren. Nach der ZPO sind zulässige Beweismittel neben dem Zeugen, dem Sachverständigen oder der Parteivernahme auch der Beweis durch die Vorlage von Urkunden oder der Augenschein.
Eine „Urkunde“ verkörpert dauerhaft eine Gedankenerklärung und lässt ihren Aussteller erkennen. Sie ist im Original vorzulegen. Demgegenüber vermittelt sich das Gericht beim „Augenschein“ optisch, akustisch, sensorisch einen persönlichen Eindruck und entscheidet über die Beweiskraft nach den Grundsätzen der „freien Beweiswürdigung“.
Elektronische Dokumente sind grundsätzlich veränderbar und gelten daher nicht als Urkunde, da keine „dauerhafte“ Verkörperung gegeben ist. Über sie ist aber der sogenannte „Augenschein“ möglich. Allerdings haben elektronische Dokumente nur einen geringen Beweiswert, solange sie leicht zu verändern sind, z.B. bei word-Dokumenten o.ä. Beweiswertsteigernd wirken aber insbesondere gesetzlich anerkannte Sicherungsverfahren, z.B. die qualifizierte elektronische Signatur, DE-Mail mit Absenderbestätigung oder nach aktuellem Stand der Technik (BSI) eingescannte Urkunden, sofern der Scan nicht nachträglich verändert werden kann. Weitere Möglichkeiten bietet die eIDAS-VO (VO (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über die elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt). Wer seine Dokumente auf dieser Grundlage digitalisiert, erhöht deren Beweiswert erheblich.
Für die revisionssichere elektronische Archivierung und damit den erhöhten Beweiswert können folgenden Merksätze des Verbands Organisations- und Informationssysteme e. V. (www.voi.de) Orientierung geben:
- Jedes Dokument muss nach Maßgabe der rechtlichen und organisationsinternen Anforderungen ordnungsgemäß aufbewahrt werden
- Die Archivierung hat vollständig zu erfolgen – kein Dokument darf auf dem Weg ins Archiv oder im Archiv selbst verloren gehen
- Jedes Dokument ist zum organisatorisch frühestmöglichen Zeitpunkt zu archivieren
- Jedes Dokument muss mit seinem Original übereinstimmen und unveränderbar archiviert werden
- Jedes Dokument darf nur von entsprechend berechtigten Benutzern eingesehen werden
- Jedes Dokument muss in angemessener Zeit wiedergefunden und reproduziert werden können
- Jedes Dokument darf frühestens nach Ablauf seiner Aufbewahrungsfrist vernichtet, d. h. aus dem Archiv gelöscht werden
- Jede ändernde Aktion im elektronischen Archivsystem muss für Berechtigte nachvollziehbar protokolliert werden
- Das gesamte organisatorische und technische Verfahren der Archivierung kann von einem sachverständigen Dritten jederzeit geprüft werden
- Bei allen Migrationen und Änderungen am Archivsystem muss die Einhaltung aller zuvor aufgeführten Grundsätze sichergestellt sein
Für formgebundene Rechtsgeschäft gilt dies aber nur bedingt:
Bei der elektronischen Form muss sichergestellt werden, dass die qualifizierte elektronische Signatur sicher mitarchiviert wird.
Bei schriftformgebundenen Rechtsgeschäften ist zu differenzieren:
Da die Originale von Kündigung, Zeugnis oder dem Nachweis nach dem Nachweisgesetz beim Arbeitnehmer verbleiben, kann der Arbeitgeber diese grundsätzlich digital archivieren. Hierbei kann das ausgefertigte Original mit einem Zustellvermerk nach den vorgenannten Grundsätzen digitalisiert werden.
Aufhebungsverträge oder Eigenkündigungen des Arbeitnehmers sollten aber im Original aufgehoben werden. Eine digitale Archivierung könnte bei einem Aufhebungsvertrag wohl nur wie folgt erfolgen:
- Das Original wird mit den Unterschriften eingescannt.
- In dieser Datei wird eine gesonderte, vom übrigen Text deutlich abgesetzte Bestätigung aufgenommen, wonach der Scan mit dem unterzeichneten Original übereinstimmt und
- Diese Datei wird vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer qualifiziert elektronisch signiert.
Spätestens beim letzten Schritt dürften derzeit noch praktische Probleme bestehen.
Fazit:
Die elektronische Personalakte ist eine enorme Arbeitserleichterung und spart Ressourcen und Platz. Es wäre wünschenswert, wenn der Gesetzgeber die Zugänglichkeit und die Praktikabilität der qualifizierten elektronischen Signatur deutlich vereinfacht. Schließlich sollte überdacht werden, ob an den strengen „Nur-Schriftform-Vorschriften“ festgehalten werden muss. Die vom Gesetzgeber seinerzeit beabsichtigten Zwecke der Rechtsicherheit und des Schutzes vor übereilten Entscheidungen werden inzwischen auch die die qualifizierten elektronischen Signatur gewahrt.