09.10.2020

BAG: EuGH soll zur Frage der Verjährung von Urlaubsansprüchen entscheiden

Zur Klärung der Frage, ob der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nach §§ 194 ff. BGB der Verjährung unterliegt, hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts mit Urteil vom 29.09.2020 (9 AZR 266/20 (A)) ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet.

Das Problem

Der Urlaubsanspruch verfällt nach § 7 III BUrlG nur dann zum Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer individualisiert über den Bestand seines Urlaubsanspruchs informiert und diesen aufgefordert hatte, seinen Urlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er diesen noch im laufenden Urlaubsjahr nehmen kann. Zudem bedarf es eines Hinweises auf den andernfalls drohenden Verfall. Fehlt es an einer einschlägigen Unterrichtung des Arbeitnehmers, war diese unvollständig oder intransparent, schreibt sich der Urlaubsanspruch in das Folgejahr fort. Im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH und des BVerfG lehnt das BAG zudem einen Vertrauensschutz für Altfälle ab. Da das BAG seine Entscheidung auf eine richtlinienkonforme Auslegung des § 7BUrlG stützt , wirkt die aktuelle Rechtsprechung auf den Ablauf der Umsetzungsfrist der (früheren) Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG (23.11.1996) zurück.

Im Extremfall können Arbeitnehmer also Urlaub aus zwei Jahrzehnten nachfordern. Extrem wichtig ist daher die Frage, ob diese enormen Risiken zumindest eine Begrenzung in der Verjährung

Der Fall

Die Klägerin war vom 01.11.1996 bis zum 31.07.2017 bei dem Beklagten als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin beschäftigt. Sie hatte im Kalenderjahr Anspruch auf 24 Arbeitstage Erholungsurlaub. Mit Schreiben vom 01.03.2012 bescheinigte der Beklagte der Klägerin, dass der „Resturlaubsanspruch von 76 Tagen aus dem Kalenderjahr 2011 sowie den Vorjahren“ am 31.03.2012 nicht verfalle, weil sie ihren Urlaub wegen des hohen Arbeitsaufwandes in seiner Kanzlei nicht habe antreten können. In den Jahren 2012 bis 2017 gewährte der Beklagte der Klägerin an insgesamt 95 Arbeitstagen Urlaub. Mit der am 06.02.2018 erhobenen Klage hat die Klägerin die Abgeltung von 101 Urlaubstagen aus dem Jahr 2017 und den Vorjahren verlangt. Im Verlauf des Prozesses hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben. Er hat geltend gemacht, für die Urlaubsansprüche, deren Abgeltung die Klägerin verlange, sei die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgelaufen. Das LAG Düsseldorf ist dieser Auffassung nicht gefolgt und hat der Klage stattgegeben. Es hat den Beklagten zur Abgeltung von 76 Urlaubstagen aus den Jahren 2013 bis 2016 verurteilt.

Die Entscheidung des BAG

Für den Neunten Senat des BAG ist es entscheidungserheblich, ob die nicht erfüllten Urlaubsansprüche der Klägerin aus dem Jahr 2014 und den Vorjahren bei Klageerhebung bereits verjährt waren. Die Urlaubsansprüche konnten nicht gemäß § 7 III BUrlG verfallen. Bei unionsrechtskonformer Auslegung dieser Vorschrift erlischt der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub grundsätzlich nur dann am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret aufgefordert hat, seinen Urlaub rechtzeitig im Urlaubsjahr zu nehmen, und ihn darauf hingewiesen hat, dass dieser andernfalls verfallen kann. Diese Obliegenheiten hat der Beklagte nicht erfüllt.

Vor diesem Hintergrund hat der Senat den EuGH um Vorabentscheidung über die Frage ersucht, ob es mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und Art. 31 II GRC im Einklang steht, wenn der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der aufgrund unterlassener Mitwirkung des Arbeitgebers nicht bereits nach § 7 III BUrlG verfallen konnte, gemäß §§ 194 I, 195 BGB der Verjährung unterliegt.

Fazit

Nach der Serie der Entscheidungen des BAG, indem die Vorgaben des EuGH in den Rechtssachen Kreuzinger, Shimizu, Willmeroth und Bauer umgesetzt wurden, bleibt auch hier der Ausgang weiter zu beobachten. Da Arbeitgeber, die bislang nicht ausreichend informiert hatten, wegen des Problems der grenzenlosen Fortschreibung der Urlaubsansprüche großen Risiken ausgesetzt sind, wäre die Anwendung der Verjährung zumindest ein Begrenzung.