21.06.2019

BAG: Keine Rückforderung von Ausbildungskosten bei unverschuldeter Kündigung durch den Arbeitnehmer

Der Sachverhalt:

Der Beklagte wurde von der Klägerin zum 15.8.2016 als Verkehrspilot für das Flugzeug Muster B zu einem Bruttomonatsverdienst von 7.500 EUR eingestellt. Der Arbeitsvertrag vom 5.8.2016 wurde dazu unter der Bedingung geschlossen, dass der Arbeitnehmer eine gültige EASA-FCL-Lizenz samt „Type Rating“ und das dazu gehörige Tauglichkeitszeugnis (Klasse 1) vor Dienstantritt vorlegt (§ 2). In § 7 IV des Arbeitsvertrags hieß es u.a. außerdem: „Bei dauerhaftem Wegfall … der medizinischen Tauglichkeit wird ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses mit gegenseitiger Suspendierung von den Leistungspflichten vereinbart. Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses endet … durch Auflösung des Arbeitsverhältnisses.“

Am 5.8.2016 kam es auch noch zu einer getrennten „Fortbildungsvereinbarung“. Darin war festgehalten, dass der Arbeitnehmer fünf Tage an einer Fortbildungsmaßnahme zur Aufrechterhaltung der Musterberechtigung („Type Rating“) teilnimmt. Nach Ziff. 2.1 der Zusatzvereinbarung übernahm die Arbeitgeberin die Kosten, die sich auf insgesamt 21.818 US-Dollar beliefen. Ziff. 3 der Vereinbarung enthielt die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Rückzahlung, falls er vor dem 28.2.2017 aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden sollte, falls „das Arbeitsverhältnis aus einem nicht von der Arbeitgeberin veranlassten, auch nicht mit veranlassten Grund, durch den Arbeitnehmer gekündigt wird.“ Nach Ziff. 3.2 vermindert sich der Rückzahlungsbetrag um 1/6 für jeden vollen Kalendermonat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses.

Der Beklagte nahm seine Tätigkeit am 15.8.2016 auf. Er absolvierte die Fortbildungsmaßnahme und die Klägerin bezahlte die angefallene Teilnahmegebühr. Mit Schreiben vom 29.1.2017 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis innerhalb der sechsmonatigen Probezeit zum 13.2.2017. Nach erfolgloser Geltendmachung hat die Klägerin mit ihrer am 31.5.2017 eingereichten Klage die Rückzahlung von 3.279,61 EUR (1/6 der angefallenen Fortbildungskosten) nebst Zinsen verlangt. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung des BAG

Auch das Bundesarbeitsgericht folgt den Vorinstanzen: Die Regelung in Ziff. 3.1 der Fortbildungsvereinbarung – so der 9. Senat – benachteilige den Beklagten unangemessen i.S.v. § 307 I 1 BGB und sei daher unwirksam.

Die Fortbildungsvereinbarung knüpfe eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers alleine an eine von diesem erklärte Kündigung an. Nach § 307 I 1 BGB seien AGB-Bestimmungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligten. In Zusammenschau mit § 7 IV des Arbeitsvertrags sei die Rückzahlungsklausel zu weit gefasst. Die Klausel sehe eine Rückzahlungspflicht auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis unverschuldet kündige. (BAG, Urteil vom 11.12.2018 – 9 AZR 383/18)

Praxishinweis

Die Entscheidung steht in einer Reihe von Entscheidungen, die sehr hohe Anforderungen an wirksame Rückzahlungsklauseln bei vom Arbeitgeber finanzierter Fortbildung stellen. Um nicht Gefahr zu laufen, erhebliche Investitionen ohne Gegenleistung gemacht zu haben, ist Arbeitgebern dazu zu raten, sich vor Abschluss von Fortbildungsvereinbarung beraten zu lassen. Für den Arbeitnehmer kann sich bei unwirksamen Rückzahlungsvereinbarungen Arbeitgeberwechsel ohne das vermeintliche Risiko eine Rückzahlung von Fortbildungskosten ergeben.