Sachverhalt

Die seit Dezember 2012 bei der Beklagten (Arbeitgeberin) beschäftigte Klägerin (Arbeitnehmerin) wurde mit Kündigungsschreiben vom 13. Mai 2022 durch die Beklagte ordentlich zum 30. Juni 2022 gekündigt.

Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung war die Klägerin unwissentlich schwanger. Hiervon erlangte sie ca. zwei Wochen später Kenntnis, nachdem sie einen Schwangerschaftstest durchführte. Über das positive Ergebnis informierte sie umgehend auch die Beklagte per E-Mail und bemühte sich um einen Termin bei einem Frauenarzt  bzw. einer Frauenärztin. Einen solchen erhielt sie erst für den 17. Juni 2022 und damit rund einen Monat nach Erhalt der Kündigung.

Am 13. Juni 2022 legte die Klägerin Kündigungsschutzklage ein und beantragte deren nachträgliche Zulassung gemäß § 5 I KSchG, da zu diesem Zeitpunkt die Klagefrist von drei Wochen (§ 4 S. 1 KSchG) bereits überschritten war.

Am 21. Juni 2022 reichte die Klägerin zudem ein ärztliches Zeugnis vom 20. Juni 2022 beim Arbeitsgericht ein, welches die am 17. Juni 2022 festgestellte Schwangerschaft bestätigte – danach hatte die Schwangerschaft bereits am 28. April 2022 begonnen.

Die beklagte Arbeitgeberin berief sich auf die Verfristung der Klage. Diese hätte nach § 4 S. 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung erhoben werden müssen. Eine nachträgliche Zulassung nach § 5 I S. 2 KSchG scheide aus, da die Arbeitnehmerin durch den positiven Test binnen der offenen Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG Kenntnis von der Schwangerschaft erlangt hatte. Eine fristgemäße Klageerhebung sei ihr daher noch möglich gewesen.

Entscheidung

Die gegen die Kündigung eingelegte Klage war in allen Instanzen erfolgreich. Zuletzt bestätigte der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 3.4.2025 – 2 AZR 156/24 – das mit der Revision der Beklagten angegriffene Urteil des LAG Sachsen vom 22.4.2024 – 2 Sa 88/23.

Zwar habe die Klägerin die Klageerhebungsfrist des § 4 KSchG versäumt. Die Klage war jedoch nachträglich zuzulassen. Der durch die Klägerin gestellte Antrag wurde durch diese zulässig gestellt und ist zudem gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 KSchG begründet.

Hinsichtlich der Frage, ob die Arbeitnehmerin erst nach Ablauf der Klageerhebungsfrist Kenntnis von der Schwangerschaft erlangt habe, ist auf den Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung der Schwangerschaft abzustellen. Die Verzögerung des Termins ist der Klägerin nicht anzulasten, diese habe sich nach dem eigens durchgeführten Schwangerschaftstest um einen Arzttermin bemüht und den frühestmöglichen Termin wahrgenommen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der durch die Klägerin durchgeführte Test bereits ein positives Ergebnis auswies – dieser sei für die Kenntniserlangung nicht maßgeblich.

Das BAG führt insoweit ergänzend unter Berücksichtigung europarechtlicher Erwägungen aus, „dass einer Arbeitnehmerin, die kurz vor Ablauf der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG von ihrer Schwangerschaft bereits im Kündigungszeitpunkt Kenntnis erlangt, eine gewisse Zeit zugestanden werden muss, um sich darüber klar zu werden, ob sie eine Kündigungsschutzklage erheben möchte.“ (Entscheidungsründe zum Urteil vom 03.04.2025 , 2 AZR 156/24, Rn. 32)

Praxishinweis

Durch die europarechtlichen Erwägungen soll eine etwaige Verkürzung der Zeit, in welcher schwangere Arbeitnehmerinnen über die Wahrnehmung ihres Sonderkündigungsschutzes (gem. § 17 I KSchG) entscheiden können korrigiert werden. Diese unter Umständen erhebliche Verkürzung tritt insbesondere in den Fällen auf, in welchen eine Arbeitnehmerin von ihrer Schwangerschaft erst nach Erhalt einer Kündigung, aber vor Ablauf der Klageerhebungsfrist Kenntnis erlangt.

Die bisherige Rechtsprechung ist sich hinsichtlich der Dauer einer solchen Überlegungszeit uneins. Während das LAG Schleswig-Holstein in einem Beschluss v. 13.05.2008, 3 Ta 56/08 eine Überlegungszeit von drei Werktagen für ausreichend erachtet hatte, hat das in vorliegendem Rechtsstreit in zweiter Instanz betraute LAG Sachsen eine Überlegungszeit von mind. zwei Wochen für angemessen befunden. Mit der Frage, ob bzw. in welchem Umfang eine solche Überlegungszeit angemessen sei, hat sich das BAG vorliegend nicht weiter auseinandergesetzt.

Sinkt die Beschäftigtenzahl unter den Schwellenwert, ab dem die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten nach dem BDSG verpflichtend ist, endet grundsätzlich automatisch der Sonderkündigungsschutz eines Datenschutzbeauftragten. Gleichzeitig beginnt der nachwirkende einjährige Sonderkündigungsschutz (BAG, Urteil vom 05.12.2019 – 2 AZR 223/19).

Hintergrund:

Bereits mit Urteil vom 27.07.2017 – 2 AZR 812/16 stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass ein Datenschutzbeauftragter nur dann Sonderkündigungsschutz genießt, wenn seine Bestellung gesetzlich vorgeschrieben ist.

§ 4f Abs. 1 BDSG in der bis zum 24.5.2018 geltenden Fassung (a.F.) schrieb vor, dass nicht-öffentliche Arbeitgeber einen Datenschutzbeauftragten zu bestellen hatten, sobald mehr als neun Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigen wurden.

Wenn diese Voraussetzung erfüllt gewesen ist, war eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Datenschutzbeauftragten nach § 4f Abs. 3 Satz 5 BDSG a.F. unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorlagen, welche die verantwortliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigten. Gemäß § 4f Abs. 3 Satz 6 BDSG a.F. wirkte dieser Sonderkündigungsschutz für ein Jahr nach der Beendigung der Bestellung nach.

In seinem Urteil vom 05.12.2019 – 2 AZR 223/19 hatte sich das Bundesarbeitsgericht nun mit der Frage zu beschäftigen, wie sich ein Absinken der Beschäftigtenzahl unter den für die verpflichtende Bestellung eines Datenschutzbeauftragten maßgeblichen Schwellenwert auf die kündigungsrechtliche Stellung des Datenschutzbeauftragten auswirkt.

Sachverhalt:

Das BAG hatte über die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung eines Datenschutzbeauftragten zu entscheiden. Der Arbeitnehmer arbeitete seit April 2010 bei einem australischen Bankinstitut als Director Institutional Banking. Im Juni 2010 wurde er von seinem Arbeitgeber gem. § 4f BDSG in der bis zum 24.5.2018 geltenden Fassung (im Folgenden aF) zum Datenschutzbeauftragten ernannt. Zu diesem Zeitpunkt waren in der Niederlassung neun Beschäftigte tätig, die alle ständig automatisiert personenbezogene Daten verarbeiteten, während in den Jahren vorher mehr Leute angestellt gewesen sind.

In den Jahren 2010 bis 2015 wurden in der betroffenen Niederlassung zwischen zehn und dreizehn, im Jahr 2016 neun Mitarbeiter beschäftigt.

Im April 2017 sprach der Arbeitgeber die ordentliche Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer aus. Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung beschäftigte die Beklagte in der Niederlassung insgesamt acht Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer war noch als Datenschutzbeauftragter bestellt. Eine Abberufung erfolgte vor Ausspruch der Kündigung nicht.

Das Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht erachteten die Kündigung als unwirksam, da der Arbeitnehmer aufgrund seiner Stellung als Datenschutzbeauftragter nach § 4f Abs. 3 Satz 5 BDSG a.F. ordentlich nicht kündbar sei. Die hiergegen gerichtete Revision des Arbeitgebers war vor dem Bundesarbeitsgericht erfolgreich.

Gründe:

Das BAG kam – entgegen der Vorinstanzen – zu dem Ergebnis, dass die Kündigung nicht wegen des Sonderkündigungsschutzes gem. § 4f Abs. 3 Satz 5 BDSG aF unwirksam ist.

Zwar sei die Bestellung zum Datenschutzbeauftragten nicht bereits deshalb unwirksam, da dem Arbeitnehmer als Geschäftsleiter möglicherweise die notwendige Zuverlässigkeit für dieses Amt gefehlt habe. Denn aus dem BDSG a.F. folge grundsätzlich nicht die Nichtigkeit der Bestellung bei fehlender Zuverlässigkeit des Datenschutzbeauftragten.

Der Kläger kann sich jedoch nicht auf den Sonderkündigungsschutz eines Datenschutzbeauftragten berufen, da der Arbeitgeber bei Zugang der Kündigung nicht in der Regel mehr als neun Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigte und somit die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten nicht mehr gesetzlich vorgeschrieben gewesen ist.

Ein Absinken der Beschäftigtenzahl unter den Schwellenwert des § 4f Abs. 1 Satz 4 BDSG aF während der Tätigkeit als Beauftragter für den Datenschutz führt dazu, dass dessen Sonderkündigungsschutz nach § 4f Abs. 3 Satz 5 BDSG aF entfällt, ohne dass es eines Widerrufs der Bestellung durch den Arbeitgeber bedarf.

Endet durch ein Unterschreiten des Schwellenwerts des § 4f Abs. 1 Satz 4 BDSG aF die Funktion als verpflichtender Beauftragter für den Datenschutz, beginnt der nachwirkende Sonderkündigungsschutz des § 4f Abs. 3 Satz 6 BDSG aF. Es handelt sich auch insoweit um eine Abberufung im Sinne der Bestimmung.

Vor diesem Hintergrund konnte die Erfurter Richter nicht selbst entscheiden, ob die Kündigung im Ergebnis wirksam gewesen ist. Dem Kläger könnte nämlich ein nachwirkender Kündigungsschutz nach § 4f Abs. 3 Satz 6 BDSG aF zustehen, abhängig davon, zu welchen Zeitpunkt die Beschäftigtenzahl unter den Schwellenwert des § 4f Abs. 1 Satz 4 BDSG aF gesunken ist. Da hierzu bisher keine Feststellungen getroffen wurden, wurde der Rechtsstreit an das LAG zurückzuverweisen.

Praxistipp:

Besondere Praxisrelevanz erhält das Urteil aufgrund einer zum 26.11.2019 eingetretenen Gesetzesänderung.

Mit dem zweiten Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die DSGVO wurde in § 38 Abs. 1 S. 1 BDSG die maßgebliche Personenzahl, ab der verpflichtend ein Datenschutzbeauftragter zu benennen ist, von 10 auf 20 Mitarbeiter angehoben, die ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten betraut sind.

Infolgedessen dürften Datenschutzbeauftragte in Kleinbetrieben, mit mehr als 10, aber weniger als 20 Bildschirmarbeitsplätzen in Anwendung des besprochenen BAG-Urteils mit Inkrafttreten der Gesetzesänderung ihren Sonderkündigungsschutz verloren haben. Dieser Kündigungsschutz wirkt nun bis zum 26.11.2020 nach.

Etwas anderes könnte jedoch in Betrieben gelten,

-deren Kerntätigkeit in der Durchführung von Verarbeitungsvorgängen besteht, welche aufgrund ihrer Art, ihres Umfangs und/oder ihrer Zwecke eine umfangreiche regelmäßige und systematische Überwachung von betroffenen Personen erforderlich machen,

oder

-deren Kerntätigkeit in der umfangreichen Verarbeitung sog. sensitiver Daten (Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung ) oder von personenbezogenen Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten gemäß Artikel 10 besteht.

Denn in diesem Fällen besteht nach Art. 37 DSGVO eine Pflicht zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten. In diesen Fällen genießen Datenschutzbeauftragten auch in Betrieben mit weniger als 20 Mitarbeitern, die ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten betraut sind, Sonderkündigungsschutz.