Sachverhalt:
Der Kläger ist bei dem beklagten Klinikum in Nordrhein-Westfalen als Techniker beschäftigt, dort befindet sich auch sein regelmäßiger Beschäftigungsort.
Auf Anordnung des Arbeitgebers nahm der Kläger vom 01. bis 05. November 2021 an einer Fortbildungsveranstaltung im Bundesland Hessen Teil. Nach dem Feiertagsgesetz des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen ist der 01. November „Allerheiligen“ gesetzlicher Feiertag – nicht dagegen in Hessen.
Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung, welcher bei Feiertagsarbeit einen Zeitzuschlag in Höhe von 35 % vorsieht.
Die Teilnahme an der Fortbildung wurde regulär vergütet, einen Feiertagszuschlag für die Stunden der Teilnahme an der Fortbildung für den 01. November 2021 gewährte das beklagte Klinikum nicht.
Nachdem der Klage des Klägers auf Feiertagszuschläge in erster Instanz durch das Arbeitsgericht Münster stattgegeben wurde, wies das Landesarbeitsgericht auf die Berufung der Beklagten die Klage ab.
Mit seiner Revision verfolgte der Kläger nunmehr seinen Anspruch vor dem Bundearbeitsgericht in Erfurt weiter – mit weitgehendem Erfolg.
Die Entscheidung:
Nach Auffassung des BAG stehen dem Kläger die geltend gemachten Feiertagszuschläge für die Stunden der Fortbildungsteilnahme am 01. November 2021 zu, dies ergibt die Auslegung der Tarifnorm.
Die tarifvertraglichen Regelungen über die Zahlung eines Zuschlages für Feiertagsarbeit knüpfen regelmäßig an die gesetzlichen Feiertage am Beschäftigungsort an. (…) Mithin bestimmt sich der Anspruch auf einen tariflichen Feiertagszuschlag grundsätzlich nach dem Ort, an dem der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen hat, vgl. BAG v. 1.8.2024 – 6 AZR 38/24, Rn. 22.
Insoweit ist auf den regelmäßigen Beschäftigungsort abzustellen, die nur vorübergehende Teilnahme an einer Fortbildung in einem anderen Bundesland vermag es nicht, den in NRW liegenden regelmäßigen Beschäftigungsort zu (auch nur vorübergehend) zu ändern.
Auf den tatsächlichen Beschäftigungsort am Tag des Einsatzes kommt es nicht an.
In der Praxis
Ähnliche Fragestellungen finden sich auch auf „kleinere Ebene“, betroffen sind hier häufig Pendler.
Beispielsweise ist in bayerischen Gemeinden, mit überwiegend katholischer Bevölkerung der 15. August „Mariä Himmelfahrt“ ein gesetzlicher Feiertag, in Gemeinden mit überwiegend evangelischer Bevölkerung hingegen nicht.
Das sog. „Territorialprinzip“ besagt, dass die gesetzlichen Feiertage am Ort der tatsächlichen Beschäftigung maßgeblich sind. D.h. dass der Arbeitnehmer sich nach den Feiertagsregelungen des Ortes richten muss, an dem er arbeitet, und nicht nach denen seines Wohnortes. Hiervon betroffen sind häufig Pendler.
Sachverhalt
Das BAG legte dem EuGH im Rahmen
Dem Verfahren vor dem BAG lag die Klage einer 1968 geborenen Frau zugrunde, in welcher diese welche eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wegen Altersdiskriminierung forderte.
Die Beklagte, ein Assistenzdienst der Menschen mit Behinderungen in verschiedenen Bereichen des Lebens rund um das Thema Persönliche Assistenz Beratung, Unterstützung sowie Assistenzleistungen anbietet, suchte im Jahr 2018 im Rahmen einer Stellenausschreibung eine Assistentin für eine 28-järige Studentin. Nach dem Inhalt der Ausschreibung sollten die Bewerberinnen „am besten zwischen 18 und 30 Jahre alt sein“. Hierauf hatte sich die zum Zeitpunkt der Bewerbung etwa 50-jährige Klägerin beworben, jedoch eine Absage erhalten. Durch die Ablehnung sah sie sich wegen ihres Alters diskriminiert und forderte eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.
Der in diesem Zusammenhang erhobenen Klage wurde durch das Arbeitsgericht teilweise stattgegeben. Auf die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten wurde die Klage durch das Landesarbeitsgericht vollständig abgewiesen. Mit der Revision verfolgte die Klägerin ihr Begehren auf Zahlung einer Entschädigung weiter.
Vorlagefrage an den EuGH
Das Vorabentscheidungsersuchen des BAG betrifft die Auslegung unionsrechtlicher Bestimmungen und die Frage, ob diese dahingehend ausgelegt werden können, „dass in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gerechtfertigt werden kann“.
Der EuGH stellt in seinem Urteil vom 07.12.2023 fest, dass die Absage gegenüber der Klägerin aufgrund ihres Alters erfolgte und damit eine unmittelbare Diskriminierung vorlag. Die in der Stellenbeschreibung festgelegte Altersanforderung sei jedoch im Hinblick auf den Schutz des Rechts auf Selbstbestimmung des betreffenden Menschen mit Behinderung notwendig und gerechtfertigt. Der EuGH betont in seiner Entscheidung, dass es nach den deutschen Rechtsvorschriften ausdrücklich vorgesehen sei, den individuellen Wünschen von Menschen mit Behinderungen bei der Erbringung von Leistungen der persönlichen Assistenz zu entsprechen:
Gemäß § 78 SGB IX werden Assistenzleistungen für Menschen mit Behinderung zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltages einschließlich der Tagesstrukturierung erbracht. Sie umfassen insbesondere Leistungen für die allgemeinen Erledigungen des Alltags wie die Haushaltsführung, die Gestaltung sozialer Beziehungen, die persönliche Lebensplanung, die Teilhabe am gemeinschaftlichen kulturellen Leben, die Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten sowie die Sicherstellung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen. Sie beinhalten die Verständigung mit der Umwelt in diesen Bereichen.
Dabei ist gemäß § 8 SGB IX ein Wunsch und Wahlrecht einzuräumen. Mithin ist bei der Entscheidung über die Leistungen und bei der Ausführung der Leistungen zur Teilhabe berechtigten Wünschen der Leistungsberechtigten zu entsprechen (Absatz 1) und den Leistungsberechtigten ist durch Leistungen, Dienste und Einrichtungen möglichst viel Raum zu eigenverantwortlicher Gestaltung ihrer Lebensumstände zu lassen und deren Selbstbestimmung zu fördern (Absatz 3).
Der EuGH führt weiter aus: Leistungsberechtigte müssen die Möglichkeit haben, selbst zu entscheiden, wie wo und mit wem sie leben wollen. Es lässt sich vernünftigerweise erwarten, dass jemand, der derselben Altersgruppe wie der Mensch mit Behinderung angehört, sich leichter in dessen persönliches Umfeld einfügt. Angesichts dessen, dass die persönliche Assistenz alle Lebensbereiche betreffe und die assistenzleistende Person zwangsläufig in die Privat- und Intimsphäre der assistenznehmenden Person eingreife, ist den berechtigten Wünschen und subjektiven Bedürfnissen der jeweiligen assistenznehmenden Personen Rechnung zu tragen.
Mithin sei die Beschränkung der Bewerber auf eine gewisse Altersgruppe und die sich hieraus ergebende Ungleichbehandlung gerechtfertigt.
Ausblick
Nach der Entscheidung des EuGH auf die Vorlagefrage BAG, geht das Verfahren nun zurück an dieses. Dort wird das BAG die Revision der Klägerin und die begehrte Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zurückweisen.
Die kirchenrechtlich vorgeschriebene arbeitsvertragliche Inbezugnahme einer kirchlichen Arbeitsrechtsregelung erfasst zwar inhaltlich auch eine darin enthaltene Ausschlussfrist, die damit zum Bestandteil des Arbeitsverhältnisses wird. Die Ausschlussfrist ist jedoch eine wesentliche Arbeitsbedingung iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG. Die bloße Inbezugnahme der Arbeitsrechtsregelung als solche genügt für den danach erforderlichen Nachweis nicht. Das hat das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 30.10.2019 entschieden, das bisher nur als Pressemitteilung vorliegt (BAG, Urt. v. 30.10.2019 – 6 AZR 465/18 – PM Nr. 36/19 www.bundesarbeitsgericht.de).
Sachverhalt:
Der Kläger war bei der beklagten katholischen Kirchengemeinde als Küster und Reinigungskraft beschäftigt. Der Arbeitsvertrag nahm die Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) in Bezug. Diese sieht in § 57 eine sechsmonatige einstufige Ausschlussfrist vor. Der Kläger macht Differenzvergütungsansprüche wegen angeblich fehlerhafter Eingruppierung geltend. Die Beklagte verweigert die Erfüllung dieser Ansprüche unter Berufung auf die Ausschlussfrist. Der Kläger stellt die Wirksamkeit der Fristenregelung in Abrede und verlangt hilfsweise Schadensersatz, den er ua. darauf stützt, dass ihm die Beklagte die Ausschlussfrist nicht hinreichend nachgewiesen habe.
Die Entscheidung:
Das Bundesarbeitsgericht wies zwar den Erfüllungsanspruch (= Primäranspruch) unter Hinweis auf die Ausschlussfristen zurück, sprach dem Kläger allerdings einen Schadensersatzanspruch (= Sekundäranspruch) zu. Die Inbezugnahme der KAVO erfasse auch deren Ausschlussfrist und führe daher zum Verfall der Entgeltansprüche. Denkbar sei in dieser Konstellation allerdings ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Nachweisgesetzes. Kirchliche Arbeitsrechtsregelungen sind keine Tarifverträge, fallen allerdings als Allgemeine Geschäftsbedingungen unter die Erleichterungen nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 3 sowie § 3 S. 2 NachwG. Da aber die Ausschlussfrist nicht in § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 6-9 NachwG erwähnt wird, werden diese von den Erleichterung nicht erfasst. Ohne ausdrücklichen Hinweis oder eigenständige Regelung verstößt der Arbeitgeber gegen seine Verpflichtungen aus dem Nachweisgesetz und macht sich unter Umständen schadenersatzpflichtig. Der Rechtsstreit wurde zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes an das LAG Düsseldorf zurück verwiesen.
Praxistipp:
Dem kirchlichen Arbeitgeber ist daher dringend anzuraten, in ihre Verträge eine eigene Vorschrift mit aufzunehmen, die ausdrücklich die Ausschlussfristen regelt. Wir empfehlen daher, die jeweilige Regelung aus den kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen in die Nachweise, bzw. Arbeitsverträge zu übernehmen. Ob diese Entscheidung auch Auswirkungen auf Ausschlussfristen haben wird, die in in Bezug genommenen Tarifverträgen geregelt ist, bleibt abzuwarten. Wir gehen allerdings von einer weiteren Privilegierung der Tarifverträge aus, sodass eine Inbezugnahme von Tarifverträgen wohl auch weiterhin ausreichen dürfte, um die Verpflichtungen nach dem Nachweisgesetz zu erfüllen.Wer aber auf Nummer sicher gehen möchte, sollte auch hier zukünftig eigenständige Ausschlussfristen in den Nachweisen, bzw. Arbeitsverträgen aufnehmen.
Bereits am 21.02.2019 hatten wir in unserem Blog über die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.02.2019 (Az. 9 AZR 541/15) berichtet, in der die Vorgaben des EuGH zum Urlaubsrecht (EuGH Urteil vom 06.11.2018, Aktenzeichen C – 684/16) umgesetzt wurden. Noch offen ist die Frage, ob ein Vertrauensschutz für die Vergangenheit gewährt werden wird.
Nunmehr liegt betreffend diese Frage eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vor: In dieser Entscheidung setzt das Landesarbeitsgericht Köln vom 09.04.2019 (Az.: 4 Sa 242/18) nicht nur die neue Rechtsprechung des BAG um, wonach der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers regelmäßig nur dann am Ende des Kalenderjahres erlischt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor über seinen Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt hat. Es entscheidet zudem, dass dies auch nicht nur für das laufende Kalenderjahr gelte, sondern auch für den Urlaub aus vorangegangenen Kalenderjahren.
Der Sachverhalt:
Der Kläger war in der Zeit vom 01.09.2012 bis zum 31.03.2017 als Bote bei dem beklagten Apotheker beschäftigt. Bezüglich der Urlaubsansprüche des Klägers trafen die Parteien im Arbeitsvertrag eine Regelung, wonach der Kläger seinen Jahresurlaub auf eigenen Wunsch in Form einer wöchentlichen Arbeitszeitverkürzung nimmt. Statt der bezahlten 30 Stunden pro Woche arbeitete der Kläger nur 27,5 Stunden pro Woche. Die Gewährung darüberhinausgehenden Urlaubs hat der Kläger während des Arbeitsverhältnisses nicht verlangt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses begehrte der Kläger einen finanziellen Ausgleich für in den Jahren 2014, 2015 und 2016 nicht gewährten Urlaub. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Der Kläger legte Berufung ein.
Die Entscheidung:
Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger nunmehr Recht gegeben. Die Urlaubsansprüche des Klägers seien nicht durch den geringeren Arbeitszeitumfang erfüllt worden. Die wöchentliche Arbeitszeitverkürzung stelle keinen Erholungsurlaub im Sinn des Bundesurlaubsgesetzes dar. Die Urlaubsansprüche des Klägers seien auch nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen. Unter Berücksichtigung des europäischen Rechts verfalle der Urlaub eines Arbeitnehmers in der Regel nur, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor konkret aufgefordert habe, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen habe, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlösche.
Auswirkungen:
Die Entscheidung setzt die Vorgaben des EuGH um, wonach dem Arbeitgeber die Initiativlast obliegt, im laufenden Kalenderjahr den Arbeitnehmer konkret aufzufordern, den Urlaub zu nehmen. Die Frage nach einem Vertrauensschutz für die Vergangenheit verneint das LAG: Diese Obliegenheit beziehe sich auch auf Urlaub aus vorangegangenen Kalenderjahren.