In zahlreichen Bescheiden der Regierung von Unterfranken in den letzten Wochen über Entschädigungsansprüche nach § 56 Infektionsschutzgesetz wurde eine Entschädigung für Verdienstausfall erst ab dem fünften Quarantänetag bewilligt. Für die ersten vier Tage sei kein Entschädigungsanspruch gegeben, weil der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB zu leisten habe. Nach unserer Überzeugung ist diese Rechtsauffassung der Regierung von Unterfranken rechtswidrig. Eine Klage gegen die Bescheide wird dringend empfohlen.

Hintergrund:

Nach § 56 Abs. 1 IfSG erhält eine Entschädigung in Geld, wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 IfSG Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet (= angeordnete Quarantäne). Bei Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet. Einen solchen Anspruch gibt es für Personen, die im Zuge einer Schließung der Schule oder der Kita ihre minderjährigen Kinder zu betreuen haben und deshalb einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen können.

Entscheidend ist hier die Voraussetzung „und dadurch einen Verdienstausfall erleidet“. Wer keinen Verdienstausfall hat, weil er aufgrund anderer Voraussetzungen, z.B. Arbeitszeitkonto, Urlaub o. ä., Entgelt bekommt, erhält selbstverständlich keine Entschädigung, da keine Verluste entstehen.

Die Regierung von Unterfranken hat nun § 616 BGB für sich entdeckt. Diese altehrwürdige Vorschrift, die aktuelle Fassung entspricht der Urfassung von 1896, lautet wie folgt: “ Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. “ Diese Vorschrift hat zu ihrem Beginn die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geregelt, die nunmehr im Entgeltfortzahlungsgesetz festgeschrieben ist. Trotzdem hat diese Vorschrift heute noch eine Bedeutung, nämlich bei Arbeitsverhinderung ohne Krankheit. Das ist bei einer Quarantäne auch grundsätzlich der Fall.

Fehlerhafte Rechtsanwendung

Die Regierung von Unterfranken kommt aber nun auf den Gedanken, diese Vorschrift pauschal für vier Tage heranzuziehen und verkennt hierbei die tatsächliche Bedeutung dieser Vorschrift. Denn eine wesentliche Voraussetzung für den Erhalt des Vergütungsanspruchs, nicht nur für seine Begrenzung (BAG [GS] 18.12.1959 AP BGB § 616 Nr. 22), ist die Verhinderung für einen unerheblichen Zeitraum. Dauert die Verhinderung also länger an, so entfällt ein Anspruch vollständig (ErfK/Preis, 20. Aufl. 2020, BGB § 616 Rn. 10a). Die herrschende Meinung und die Rechtsprechung gehen – ohne eine feste Höchstdauer zu definieren – einhellig davon aus, dass eine Verhinderung von nur wenigen Tagen nicht erheblich ist, das sind i.d.R. 4 – 5 Tage, dauert die Verhinderung aber länger als nur wenige Tage, ist von einem erheblichen Zeitraum auszugehen.

Das sieht offenbar auch die Regierung von Unterfranken so, indem sie für die ersten vier Tage der Quarantäne einen Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 616 BGB annimmt.

Die Regierung von Unterfranken verkennt allerdings die absolut unbestrittene herrschende Meinung, nach der der Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den gesamten Zeitraum entfällt, wenn der Zeitraum der Verhinderung insgesamt erheblich ist. Bei einer Anordnung einer Quarantäne, die üblicherweise 14 Tage dauert, ist aber von einem erheblichen Zeitraum auszugehen. Dabei entfällt der Entgeltfortzahlungsanspruch für den Arbeitnehmer also für den gesamten Zeitraum und nicht erst ab dem fünften Tag. Bei § 616 BGB gilt also das Prinzip „ganz oder gar nicht“. Die Rechtsauffassung der Regierung von Unterfranken ist daher nicht haltbar.

Fazit:

ArbeitnehmerInnen, die durch das zuständige Gesundheitsamt unter Quarantäne gestellt werden, haben daher einen Anspruch auf Erstattung ihrer Vergütung für die gesamte Dauer der Quarantäne. Die gegenteilige Auffassung der Regierung von Unterfranken ist falsch. Da der Arbeitgeber jedoch als Auszahlungsstelle der Behörden dient, kann es dem Arbeitnehmer letztendlich egal sein, da er das Geld in dieser Zeit erhält– von wem auch immer. Der Arbeitgeber hat aber selbst die Möglichkeit, seinen Erstattungsanspruch gerichtlich geltend zu machen, da er ja auf den Kosten sitzen bleiben würde. Hierzu ist dringend zu raten. Gerne stehen wir Ihnen hier zur Verfügung.

In unseren Verträgen empfehlen wir grundsätzlich, die Anwendung des § 616 BGB auszuschließen. Das ist rechtlich möglich und vermeidet, wie im vorliegenden Fall, unnötigen Ärger. Das anerkennt auch die Regierung von Unterfranken.

Der bevorstehende Sommerurlaub wirft einige Fragen zum Urlaub auf: wie verhält sich der Urlaubsanspruch in der Kurzarbeit, kann ArbeitnehmerInnen Auslandsurlaub untersagt werden oder kann im Anschluss eine Quarantäne verlangt werden, mit welchen Folgen für das Arbeitsverhältnis? In diesem Beitrag versuchen wir, die wichtigsten Fragen zu beantworten.

1. Urlaub und Kurzarbeit

Der Europäische Gerichtshof hat in zwei Urteilen vom 08.11.2012 – C-229/11, C-230/11 entschieden, dass während der Kurzarbeit die gegenseitigen Leistungspflichten des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers nach Maßgabe der Arbeitszeitverkürzung suspendiert, wenn nicht gar völlig aufgehoben sind. Der für Teilzeitarbeit vorgesehene Pro-rata-temporis-Grundsatz gelte; bei Kurzarbeit „0“ folge daraus Urlaub „0“. Diese Entscheidung wurde vom BAG bisher noch nicht übernommen. Für die Praxis bedeutet dies: für volle Kalendermonate mit Kurzarbeit „0“ kann der Jahresurlaubsanspruch daher um 1/12 gekürzt werden, ähnlich der Vorschrift des § 17 BEEG. Nach unserer Auffassung geschieht dies nicht automatisch, sondern bedarf einer Kürzungserklärung des Arbeitgebers.

Ähnlich dürfte es sich bei einer Reduzierung der wöchentlichen Arbeitstage verhalten. Beispiel: vor Einführung der Kurzarbeit ist die wöchentliche Arbeitszeit auf 5 Arbeitstage verteilt, während der Kurzarbeit arbeitet der Arbeitnehmer nur an 3 Arbeitstagen. Der Arbeitnehmer hat einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Tagen. Auch hier dürfte eine ratierliche Kürzung des Urlaubsanspruchs für jeden vollen Monat der Herabsetzung der wöchentliche Arbeitstage infolge Kurzarbeit zulässig sein. Im Beispielsfall wäre dies eine Reduzierung des Urlaubsanspruchs um einen Tag je vollem Monat: 30 Tage Jahresurlaub : 12 Monate = 2,5 Tage. Dieser Anspruch besteht bei Herabsetzung der Arbeitstage nur noch zu 3/5 = 1,5 Tage, Kürzung also ein Tag. Ist die Kurzarbeit auch nicht für einen vollständigen Kalendermonat eingeführt, dürfte nach unserer Auffassung eine Kürzung aber nicht möglich sein.

Wir weisen aber darauf hin, dass es hierzu höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht gibt.

2. Darf der Arbeitgeber nach dem Urlaubsziel fragen?

Sowohl das Auswärtige Amt als auch das Robert-Koch-Institut warnen vor Reisen in bestimmte Länder, da hier das Risiko einer COVID19-Infektion nach wie vor erhöht ist (Aktuelles auf der Homepage des AA: https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/10.2.8Reisewarnungen oder auf der Seite des RKI: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete_neu.html?nn=13490888).

Nach den Quarantäneverordnungen der Länder (für Bayern siehe: https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayEQV/true) ist eine zwingende Quarantäne von 14 Tagen nach eine Einreise/Rückkehr aus Risikogebieten vorgesehen, die in den vorgenannten Aufzählungen des AA oder des RKI benannt werden. Dies betrifft aktuell auch beliebte Reiseziele wie die Türkei, Ägypten oder die USA. Zwar kann die Quarantäne z.B. durch Vorlage eines negativen Coronatests abgekürzt werden, aber auch hier werden einige Tage nach der Rückkehr vergehen. Das heißt also, dass aus einem geplanten dreiwöchigen Urlaub schnell eine bis zu 5 Wochen andauernde Abwesenheit vom Arbeitsplatz werden kann. Dies, aber auch die Fürsorgepflicht gegenüber anderen ArbeitnehmerInnen führt zu einem Interesse des Arbeitgebers, von den Urlaubszielen der bei ihm Beschäftigten zu erfahren.

Auf der anderen Seite ist die Privatsphäre der ArbeitnehmerInnen zu beachten, denn üblicherweise geht des den Arbeitgeber nichts an, was seine Beschäftigten in ihrer Freizeit machen. Hierzu zählen auch die Urlaubsziele. Allerdings sind wir der Auffassung, dass die aktuelle Situation ein Fragerecht des Arbeitgebers zulässt. Denn wegen der Infektionsgefahr und möglicher Quarantänefolgen können betriebliche Interessen massiv betroffen sein. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit müsste die Frage aber darauf beschränkt werden, ob eine Urlaubsreise in ein Risikogebiet geplant ist. Wird auf diese Frage „gelogen“, stehen dem Arbeitgeber die üblichen arbeitsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung (Abmahnungen, in Extremfällen aber auch eine Kündigung).

3. Kann der Arbeitgeber Urlaubsreisen in Riskogebiete verbieten?

Ein Verbot wäre unseres Erachtens zu weitgehend. Ein Verbot eines bestimmten Urlaubszieles steht dem Arbeitgeber nicht in der Art zu, dass er bei einem (folgenlosen) Verstoß abmahnen oder sogar kündigen könnte.

4. Kann der Arbeitgeber nach einem Urlaub pauschal Quarantäne anordnen?

Dies ist grundsätzlich möglich, da der Arbeitgeber sich letztlich nur weigert, nach Ablauf des Urlaubs für eine bestimmte Zeit die angebotene Arbeitsleistung anzunehmen. „Quarantäne“ kann in diesem Zusammenhang aber nur ein Verbot des Betretens des Betriebsgeländes bedeuten. Eine Anordnung, während dieser Zeit seine Wohnung nicht zu verlassen, überschreitet die Grenzen dessen, was einem Arbeitgeber rechtlich gestattet ist, das wäre ein rechtsunwirksamer Eingriff in die Privatsphäre.

Der Arbeitgeber dürfte in den Fällen, in denen es NICHT zu einer nach den Quarantänevorschriften der einzelnen Bundesländer zwingenden Quarantäne kommt, nicht von der Lohnzahlung befreit werden. Nach § 615 BGB gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug und bleibt zur Lohnzahlung verpflichtet. Eine einseitige Anordnung eines (weiteren) Urlaubs ist ebenfalls nicht möglich, solange der Arbeitnehmer nicht zustimmt, da bei der Urlaubsgewährung stets (auch) die Wünsche der Arbeitnehmer zu beachten sind.

Nach einem Urlaub in Österreich oder Italien also müsste der Arbeitgeber den Lohn also weiterzahlen, wenn er gegenüber den ArbeitnehmerInnen eine Quarantäne anordnet.

5. Was passiert bei einer „obligatorischen“ Quarantäne?

Verbringen ArbeitnehmerInnen ihren Urlaub in einem Risikogebiet, einer Region also, die nach Einschätzung des AA oder des RKI mit einem relevanten Infektionsrisiko belastet ist, so gilt etwas anderes. In diesem Fall tritt eine obligatorische Quarantäne ein, d.h. dass die Betroffenen sich in der eigenen Häuslichkeit für 14 Tage „abzusondern“ haben. Es ist den Betroffenen also auch nicht möglich, zur Arbeit zu erscheinen. In diesem Fall liegt KEIN Fall des Annahmeverzugs vor, der Arbeitgeber ist somit auch nicht zur Lohnzahlung verpflichtet. Wenn kein Urlaubsanspruch und auch keine Möglichkeit zum Stundenabbau aus einem Arbeitszeitkonto mehr besteht, müssen die Mitarbeiter diese Zeit unbezahlt zu Hause verbringen. Ein Anspruch auf Verdienstausfall nach § 56 InfSG ist in diesen Fällen ebenfalls nicht gegeben, da es sich nicht um eine Anordnung der Gesundheitsbehörden im Einzelfall, sondern um eine allgemeingültige Rechtsverordnung handelt.

Wir sind darüber hinaus auch der Auffassung, dass die ArbeitnehmerInnen hier eine Abmahnung und im schlimmsten Fall sogar eine Kündigung riskieren. Zwar handelt es sich nicht um eine „absichtliche“ Arbeitsverweigerung, allerdings sind ArbeitnehmerInnen grundsätzlich in der Pflicht, dafür Sorge zu tragen, nach Ablauf des Urlaubs ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Hierzu zählt auch, im Vorfeld etwaige Konsequenzen eigenverantwortlich zu klären und abzuwägen. Wenn ich also unbedingt meinen Sommerurlaub in der Türkei oder Ägypten verbringen möchte, muss ich die Quarantäne von Anfang an mit einplanen. Also: zwei Wochen Ägypten plus zwei Wochen Quarantäne = vier Wochen Urlaub beantragen. Ist das nicht möglich, sollte der Urlaub abgesagt werden, eine Stornierung ist in der Regel kostenfrei möglich.

7. Sonstige Konsequenzen

Wer sich an die Verhaltensregeln während der Pandemie in seinem Urlaub und danach hält, dürfte nichts zu befürchten haben. Wer sich hingegen bei der Wahl des Urlaubsziels, seinem Verhalten im Urlaub oder danach fahrlässig verhält, sich selbst und/oder andere dadurch gefährdet, läuft Gefahr durchaus ernster Konsequenzen: neben dem Verlust von Entgeltansprüchen, Abmahnung oder sogar Kündigung sind auch Geldbußen oder Schadenersatzansprüche denkbar. Nach dem InfSG können bei Quarantäneverstößen Geldbußen bis zu 2.500 EUR, im Einzelfall sogar bis zu 25.000 EUR fällig werden. Wer durch einen Verstoß andere infiziert, riskiert sogar eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Denkbar ist auch, dass der Arbeitgeber bei einem Coronaausbruch in seinem Betrieb erhebliche Schadenersatzansprüche gegen den Verursacher verfolgen könnte, wenn z.B. hierdurch der Betrieb stillsteht.

Fazit:

Bei dem bevorstehenden Sommerurlaub ist Vorsicht geboten. In unbedenklichen Reisegebieten, insbesondere im Schengenraum, sollten die UrlauberInnen trotzdem Vorsicht walten lassen und sich nach der Rückkehr auch den Kollegen gegenüber auf die üblichen Regeln besinnen. Bei Anzeichen einer Erkrankung unbedingt und unverzüglich den Arbeitsplatz verlassen, hier besteht Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Arbeitgeber sollten ihre Belegschaft im Vorfeld auf die Risiken des Urlaubs und einer möglicherweise sich anschließenden Quarantäne unterrichten. Die pauschale Anordnung einer betrieblichen Quarantäne sollte wegen der Entgeltkosten sorgfältig überlegt werden.

Für Rückfragen stehen Ihnen die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der Kanzlei gerne zur Verfügung.