Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 17.06.2021 (12 Ca 450/21) die außerordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers für wirksam befunden, die der Arbeitgeber aufgrund des Nichttragens einer Maske nach erfolgloser Abmahnung ausgesprochen hat.
Der Fall
Der klagende Arbeitnehmer war bei der beklagten Arbeitgeberin als Servicetechniker im Außendienst angestellt. Die Beklagte erteilte allen Servicetechnikern wegen der Pandemielage die Anweisung, bei der Arbeit bei Kunden eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Anfang Dezember 2020 weigerte sich der Kläger jedoch, einen Serviceauftrag bei einem Kunden durchzuführen, der ausdrücklich auf das Tragen einer Maske bestand. Unter dem Betreff „Rotzlappenbefreiung“ reichte der Kläger bei der Beklagten sodann ein im Juni 2020 auf Blankopapier ausgestelltes ärztliches Attest ein, in dem es heißt, dass es für den Kläger „aus medizinischen Gründen unzumutbar ist, eine nicht-medizinische Alltagsmaske oder eine vergleichbare Mund-Nasen-Bedeckung i.S.d. SARS-COV-2 Eindämmungsmaßnahmenverordnung zu tragen“. Daraufhin erteilte die Beklagte dem Kläger die Weisung, trotzdem eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, weil sie das Attest mangels konkreter nachvollziehbarer Angaben nicht anerkenne, aber die Kosten für den medizinischen Mund-Nasen-Schutz übernehmen werde. Nachdem der Kläger den Serviceauftrag weiterhin ablehnte, mahnte die Beklagte ihn zunächst ab. Dessen ungeachtet teilte der Kläger mit, dass er den Einsatz auch zukünftig nur durchführen werde, wenn er keine Maske tragen müsse. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich.
Die Entscheidung
Das Arbeitsgerichts Köln hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Mit seiner beharrlichen Weigerung, bei der Ausübung seiner Tätigkeit beim Kunden den von der Beklagten angeordneten und von dem Kunden verlangten Mund-Nasen-Schutz zu tragen, habe der Kläger wiederholt gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen. Eine Rechtfertigung hierfür ergebe sich auch nicht aufgrund des vorgelegten Attests. Zum einen sei das Attest nicht aktuell gewesen; Zum anderen sei ein Attest ohne konkrete Diagnose eines Krankheitsbildes nicht hinreichend aussagekräftig, um eine Befreiung von der Maskenpflicht aus gesundheitlichen Gründen zu rechtfertigen. Schließlich bestünden Zweifel an der Ernsthaftigkeit der vom Kläger behaupteten medizinischen Einschränkungen, da der Kläger selbst den Mund-Nasen-Schutz als Rotzlappen bezeichnet habe und dem Angebot einer betriebsärztlichen Untersuchung nicht nachgekommen sei.
Der bevorstehende Sommerurlaub wirft einige Fragen zum Urlaub auf: wie verhält sich der Urlaubsanspruch in der Kurzarbeit, kann ArbeitnehmerInnen Auslandsurlaub untersagt werden oder kann im Anschluss eine Quarantäne verlangt werden, mit welchen Folgen für das Arbeitsverhältnis? In diesem Beitrag versuchen wir, die wichtigsten Fragen zu beantworten.
1. Urlaub und Kurzarbeit
Der Europäische Gerichtshof hat in zwei Urteilen vom 08.11.2012 – C-229/11, C-230/11 entschieden, dass während der Kurzarbeit die gegenseitigen Leistungspflichten des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers nach Maßgabe der Arbeitszeitverkürzung suspendiert, wenn nicht gar völlig aufgehoben sind. Der für Teilzeitarbeit vorgesehene Pro-rata-temporis-Grundsatz gelte; bei Kurzarbeit „0“ folge daraus Urlaub „0“. Diese Entscheidung wurde vom BAG bisher noch nicht übernommen. Für die Praxis bedeutet dies: für volle Kalendermonate mit Kurzarbeit „0“ kann der Jahresurlaubsanspruch daher um 1/12 gekürzt werden, ähnlich der Vorschrift des § 17 BEEG. Nach unserer Auffassung geschieht dies nicht automatisch, sondern bedarf einer Kürzungserklärung des Arbeitgebers.
Ähnlich dürfte es sich bei einer Reduzierung der wöchentlichen Arbeitstage verhalten. Beispiel: vor Einführung der Kurzarbeit ist die wöchentliche Arbeitszeit auf 5 Arbeitstage verteilt, während der Kurzarbeit arbeitet der Arbeitnehmer nur an 3 Arbeitstagen. Der Arbeitnehmer hat einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Tagen. Auch hier dürfte eine ratierliche Kürzung des Urlaubsanspruchs für jeden vollen Monat der Herabsetzung der wöchentliche Arbeitstage infolge Kurzarbeit zulässig sein. Im Beispielsfall wäre dies eine Reduzierung des Urlaubsanspruchs um einen Tag je vollem Monat: 30 Tage Jahresurlaub : 12 Monate = 2,5 Tage. Dieser Anspruch besteht bei Herabsetzung der Arbeitstage nur noch zu 3/5 = 1,5 Tage, Kürzung also ein Tag. Ist die Kurzarbeit auch nicht für einen vollständigen Kalendermonat eingeführt, dürfte nach unserer Auffassung eine Kürzung aber nicht möglich sein.
Wir weisen aber darauf hin, dass es hierzu höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht gibt.
2. Darf der Arbeitgeber nach dem Urlaubsziel fragen?
Sowohl das Auswärtige Amt als auch das Robert-Koch-Institut warnen vor Reisen in bestimmte Länder, da hier das Risiko einer COVID19-Infektion nach wie vor erhöht ist (Aktuelles auf der Homepage des AA: https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/10.2.8Reisewarnungen oder auf der Seite des RKI: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete_neu.html?nn=13490888).
Nach den Quarantäneverordnungen der Länder (für Bayern siehe: https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayEQV/true) ist eine zwingende Quarantäne von 14 Tagen nach eine Einreise/Rückkehr aus Risikogebieten vorgesehen, die in den vorgenannten Aufzählungen des AA oder des RKI benannt werden. Dies betrifft aktuell auch beliebte Reiseziele wie die Türkei, Ägypten oder die USA. Zwar kann die Quarantäne z.B. durch Vorlage eines negativen Coronatests abgekürzt werden, aber auch hier werden einige Tage nach der Rückkehr vergehen. Das heißt also, dass aus einem geplanten dreiwöchigen Urlaub schnell eine bis zu 5 Wochen andauernde Abwesenheit vom Arbeitsplatz werden kann. Dies, aber auch die Fürsorgepflicht gegenüber anderen ArbeitnehmerInnen führt zu einem Interesse des Arbeitgebers, von den Urlaubszielen der bei ihm Beschäftigten zu erfahren.
Auf der anderen Seite ist die Privatsphäre der ArbeitnehmerInnen zu beachten, denn üblicherweise geht des den Arbeitgeber nichts an, was seine Beschäftigten in ihrer Freizeit machen. Hierzu zählen auch die Urlaubsziele. Allerdings sind wir der Auffassung, dass die aktuelle Situation ein Fragerecht des Arbeitgebers zulässt. Denn wegen der Infektionsgefahr und möglicher Quarantänefolgen können betriebliche Interessen massiv betroffen sein. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit müsste die Frage aber darauf beschränkt werden, ob eine Urlaubsreise in ein Risikogebiet geplant ist. Wird auf diese Frage „gelogen“, stehen dem Arbeitgeber die üblichen arbeitsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung (Abmahnungen, in Extremfällen aber auch eine Kündigung).
3. Kann der Arbeitgeber Urlaubsreisen in Riskogebiete verbieten?
Ein Verbot wäre unseres Erachtens zu weitgehend. Ein Verbot eines bestimmten Urlaubszieles steht dem Arbeitgeber nicht in der Art zu, dass er bei einem (folgenlosen) Verstoß abmahnen oder sogar kündigen könnte.
4. Kann der Arbeitgeber nach einem Urlaub pauschal Quarantäne anordnen?
Dies ist grundsätzlich möglich, da der Arbeitgeber sich letztlich nur weigert, nach Ablauf des Urlaubs für eine bestimmte Zeit die angebotene Arbeitsleistung anzunehmen. „Quarantäne“ kann in diesem Zusammenhang aber nur ein Verbot des Betretens des Betriebsgeländes bedeuten. Eine Anordnung, während dieser Zeit seine Wohnung nicht zu verlassen, überschreitet die Grenzen dessen, was einem Arbeitgeber rechtlich gestattet ist, das wäre ein rechtsunwirksamer Eingriff in die Privatsphäre.
Der Arbeitgeber dürfte in den Fällen, in denen es NICHT zu einer nach den Quarantänevorschriften der einzelnen Bundesländer zwingenden Quarantäne kommt, nicht von der Lohnzahlung befreit werden. Nach § 615 BGB gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug und bleibt zur Lohnzahlung verpflichtet. Eine einseitige Anordnung eines (weiteren) Urlaubs ist ebenfalls nicht möglich, solange der Arbeitnehmer nicht zustimmt, da bei der Urlaubsgewährung stets (auch) die Wünsche der Arbeitnehmer zu beachten sind.
Nach einem Urlaub in Österreich oder Italien also müsste der Arbeitgeber den Lohn also weiterzahlen, wenn er gegenüber den ArbeitnehmerInnen eine Quarantäne anordnet.
5. Was passiert bei einer „obligatorischen“ Quarantäne?
Verbringen ArbeitnehmerInnen ihren Urlaub in einem Risikogebiet, einer Region also, die nach Einschätzung des AA oder des RKI mit einem relevanten Infektionsrisiko belastet ist, so gilt etwas anderes. In diesem Fall tritt eine obligatorische Quarantäne ein, d.h. dass die Betroffenen sich in der eigenen Häuslichkeit für 14 Tage „abzusondern“ haben. Es ist den Betroffenen also auch nicht möglich, zur Arbeit zu erscheinen. In diesem Fall liegt KEIN Fall des Annahmeverzugs vor, der Arbeitgeber ist somit auch nicht zur Lohnzahlung verpflichtet. Wenn kein Urlaubsanspruch und auch keine Möglichkeit zum Stundenabbau aus einem Arbeitszeitkonto mehr besteht, müssen die Mitarbeiter diese Zeit unbezahlt zu Hause verbringen. Ein Anspruch auf Verdienstausfall nach § 56 InfSG ist in diesen Fällen ebenfalls nicht gegeben, da es sich nicht um eine Anordnung der Gesundheitsbehörden im Einzelfall, sondern um eine allgemeingültige Rechtsverordnung handelt.
Wir sind darüber hinaus auch der Auffassung, dass die ArbeitnehmerInnen hier eine Abmahnung und im schlimmsten Fall sogar eine Kündigung riskieren. Zwar handelt es sich nicht um eine „absichtliche“ Arbeitsverweigerung, allerdings sind ArbeitnehmerInnen grundsätzlich in der Pflicht, dafür Sorge zu tragen, nach Ablauf des Urlaubs ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Hierzu zählt auch, im Vorfeld etwaige Konsequenzen eigenverantwortlich zu klären und abzuwägen. Wenn ich also unbedingt meinen Sommerurlaub in der Türkei oder Ägypten verbringen möchte, muss ich die Quarantäne von Anfang an mit einplanen. Also: zwei Wochen Ägypten plus zwei Wochen Quarantäne = vier Wochen Urlaub beantragen. Ist das nicht möglich, sollte der Urlaub abgesagt werden, eine Stornierung ist in der Regel kostenfrei möglich.
7. Sonstige Konsequenzen
Wer sich an die Verhaltensregeln während der Pandemie in seinem Urlaub und danach hält, dürfte nichts zu befürchten haben. Wer sich hingegen bei der Wahl des Urlaubsziels, seinem Verhalten im Urlaub oder danach fahrlässig verhält, sich selbst und/oder andere dadurch gefährdet, läuft Gefahr durchaus ernster Konsequenzen: neben dem Verlust von Entgeltansprüchen, Abmahnung oder sogar Kündigung sind auch Geldbußen oder Schadenersatzansprüche denkbar. Nach dem InfSG können bei Quarantäneverstößen Geldbußen bis zu 2.500 EUR, im Einzelfall sogar bis zu 25.000 EUR fällig werden. Wer durch einen Verstoß andere infiziert, riskiert sogar eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Denkbar ist auch, dass der Arbeitgeber bei einem Coronaausbruch in seinem Betrieb erhebliche Schadenersatzansprüche gegen den Verursacher verfolgen könnte, wenn z.B. hierdurch der Betrieb stillsteht.
Fazit:
Bei dem bevorstehenden Sommerurlaub ist Vorsicht geboten. In unbedenklichen Reisegebieten, insbesondere im Schengenraum, sollten die UrlauberInnen trotzdem Vorsicht walten lassen und sich nach der Rückkehr auch den Kollegen gegenüber auf die üblichen Regeln besinnen. Bei Anzeichen einer Erkrankung unbedingt und unverzüglich den Arbeitsplatz verlassen, hier besteht Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Arbeitgeber sollten ihre Belegschaft im Vorfeld auf die Risiken des Urlaubs und einer möglicherweise sich anschließenden Quarantäne unterrichten. Die pauschale Anordnung einer betrieblichen Quarantäne sollte wegen der Entgeltkosten sorgfältig überlegt werden.
Für Rückfragen stehen Ihnen die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der Kanzlei gerne zur Verfügung.
Macht eine Pflegekraft in der Pflegedokumentation vorsätzlich Falschangaben und trägt ein, bei einer Patientin in der Wohnung gewesen zu sein, obwohl sie nur telefonischen Kontakt zur Patientin hatte, kann eine fristlose Kündigung nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Siegburg (Urteil vom 07.08.2019 – 3 Ca 992/19) gerechtfertigt sein. Schließlich muss der Arbeitgeber auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer vertrauen können.
Sachverhalt
Die Arbeitnehmerin war bei der Arbeitgeberin seit über 5 Jahren als Altenpflegerin beschäftigt. Sie wurde in dieser Zeit vom Arbeitgeber mehrfach abgemahnt, u.a. weil sie eine Patientin nicht richtig versorgt hatte und dies auch nicht richtig dokumentiert worden war.
Anfang April 2019 fuhr die Arbeitnehmerin nicht persönlich zu einer Patientin, um dieser die Nachttablette zu geben, sondern telefonierte lediglich mit ihr. Den Leistungsnachweis für den nächtlichen Besuch zeichnete die Arbeitnehmerin jedoch trotzdem ab und bestätigte auf dem Tagestourennachweis, die Patientin in der Zeit von 22:55 Uhr bis 23:06 Uhr versorgt zu haben. Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos.
Entscheidung
Das Arbeitsgericht Siegburg wies die hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage ab. Die fristlose Kündigung hielt es für gerechtfertigt.
Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich schon geeignet, einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darzustellen. Schließlich muss der Arbeitgeber auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer vertrauen können.
Überträgt der Arbeitgeber den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und füllt ein Arbeitnehmer die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stellt dies einen schweren Vertrauensmissbrauch dar. Erschwerend hinzu kann, dass die Klägerin trotz vorheriger Abmahnung vorsätzlich falsche Eintragungen gemacht hatte.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Quelle: Arbeitsgericht Siegburg Pressemitteilung 3/2019; http://www.lag-koeln.nrw.de/behoerde/presse/Pressemitteilungen/Arbeitsgericht-Siegburg/Pressemitteilung03-19.pdf
Durch das am 26.04.2019 in Kraft getretene Geschäftsgeheimnisgesetz werden Unternehmen fortan besser gegen Geheimnisverrat geschützt. Arbeitgeber kommen jedoch nur in den Genuss der neuen Regelungen, wenn sie „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ ergriffen haben. Was Unternehmen konkret tun müssen, damit ihre Geschäftsgeheimnisse weiterhin zivil- und strafrechtlich geschützt sind, stellen wir Ihnen im Folgenden dar.
Überblick über das neue Geschäftsgeheimnisgesetz
Mit einiger Verspätung – die zugrundeliegende EU-Richtlinie 2016/943 wäre eigentlich bereits bis zum 09.06.2018 umzusetzen gewesen – trat am 26. April 2019 das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) in Kraft. Im Geschäftsgeheimnisgesetz werden erstmals die Regelungen zum Schutz von Unternehmensgeheimnissen in einem einheitlichen Spezialgesetz zusammengefasst. Nach § 1 Abs. 1 GeschGehG dient dieses Regelungswerk „dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor unerlaubter Erlangung, Nutzung und Offenlegung.“
Das Geschäftsgeheimnisgesetz sieht hierfür Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung (§ 6 GeschGehG) sowie auf Herausgabe, Vernichtung, Rückruf, Entfernung und Rücknahme (§ 7 GeschGehG) vor, die von einem speziellen Auskunftsanspruch (§ 8 GeschGehG) flankiert werden. Mit § 10 GeschGehG hat der Gesetzgeber zudem eine sehr weitgehende Haftung für den „Geheimnisverräter“ aufgestellt. Alle diese Ansprüche können auch im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen relevant werden: nämlich gegenüber (ehemaligen) Arbeitnehmern oder nach § 12 GeschGehG gegenüber dem neuen Arbeitgeber eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers, sofern dem Mitarbeiter eine Mitnahme bzw. Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen vorgeworfen wird.
In der Praxis hat es sich etabliert in diesen Fällen auch die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten, um auf diesem Weg weitere Erkenntnisse für eine mögliches arbeitsgerichtliches oder zivilrechtliches Verfahren zu erlangen sowie den Täter und/oder dessen neuen Arbeitgeber unter Druck zu setzen, um eine Ausnutzung der offenbarten Geschäftsgeheimnisse möglichst zu verhindern. Die bislang geltenden Straftatbestände §§ 17–19 UWG wurden in § 23 GeschGehG überführt. Aus strafrechtlicher Sicht ergeben sich dabei keine wesentlichen Änderungen.
Erstmals gesetzliche Definition des Begriffs „Geschäftsgeheimnis“
Eine ganz wesentliche Neuerung des Geschäftsgeheimnisgesetzes ist, dass in ihm erstmals gesetzlich festgelegt wird, was unter einem schützenswerten Geschäftsgeheimnis zu verstehen ist. Ein Geschäftsgeheimnis ist nach der neuen Definition des § 2 Nr. 1 GeschGehG eine Information
a) die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und
b) die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und
c) bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.
Die neue Definition enthält ein bisher im deutschen Recht nicht vorhandenes Kriterium: das Vorliegen von angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen. Konsequenz ist, dass Unternehmen fortan nur dann durch das Geheimnisschutzgesetz geschützt werden, wenn sie nachweisen können, dass sie Maßnahmen zum Geheimnisschutz ergriffen haben. Gelingt einem Unternehmen dieser Nachweis nicht, ist es zivilrechtlich gegen Geheimnisverrat nicht geschützt. Auch das Stellen einer Strafanzeige ist in diesem Fall nicht möglich, denn ohne Geheimhaltungsmaßnahmen liegen nach der Wertung des Gesetzgebers auch keine schützenswerten Geschäftsgeheimnisse vor. Diese Änderung wird einhellig – so auch in der Gesetzesbegründung – als Verschärfung der Anforderungen des Geheimnisschutzes verstanden.
Notwendig: Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen und deren Dokumentation
Unternehmen müssen daher aktiv werden, damit schützenswertes Know-How auch tatsächlich den gesetzlich vorgesehenen Schutz genießt.
Auf die Frage, welche Geheimhaltungsmaßnahmen Unternehemn hierfür konkret ergreifen müssen, gibt es leider kein allgemeingültiges Patentrezept. Denn weder dem Gesetz bzw. der zugrundeliegenden EU-Richtlinie noch der Gesetzesbegründung lässt sich entnehmen, welche Anforderungen an angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen zu stellen sind.
Grundsätzlich kommen technische, organisatorische und vertragliche Maßnahmen in Betracht. Die Angemessenheit hängt wiederum von Faktoren wie Art, Bedeutung und Wert der betreffenden Information für das Unternehmen und dem konkreten Bedrohungsszenario ab.
Zumeist wird insoweit die Implementierung eines Schutzsystems im Unternehmen für notwendig erachtet, das aus verschiedenen Geheimhaltungsmaßnahmen besteht. Als Fahrplan können sich Unternehmen an den folgenden Punkten orientieren:
1. In einem ersten Schritt sind alle Informationen zu erfassen, die als geheimhaltungswürdig eingestuft werden (z.B. Kunden- und Lieferantenlisten, Unternehmensdaten, Gewinnmargen, Kosteninformationen, Herstellungs-/Produktionsverfahren, Gehaltslisten etc.). Anschließend sind diese Geheimnisse entsprechend der Bedeutung der Geheimhaltung für das Unternehmen zu kategorisieren.
2. Die Geheimnisse sind als vertraulich zu kennzeichnen.
3. Im nächsten Schritt sind für jede Kategorie von Geschäftsgeheimnissen angemessene Schutzmaßnahmen zu installieren:
a) organisatorische Schutzmaßnahmen: insbesondere sollten nach dem „Need to know“-Prinzip Mitarbeiter nur Zugang zu denjenigen vertraulichen Informationen erhalten, die sie für ihre Arbeit benötigen, Einführung eines Berechtigungskonzepts, Schulungen etc.
b) technische Schutzmaßnahmen: Passwörter, Firewalls, Chipkarten, Videoüberwachung, Erstellen von Kopien/Ausdrucken verhindern bzw. zumindest erschweren und dokumentieren, Nutzung externer Speichermedien blockieren, Einrichten eines Sperrbildschirms bei Abwesenheit eines Mitarbeiters etc.
c) rechtliche Schutzmaßnahmen: Verschwiegenheitsverpflichtung, Verbot der Nutzung von privaten Speichermedien, Verbot der dienstlichen IT zu privaten Zwecken, nachvertragliches Wettbewerbsverbot, Foto-/Filmverbot, Home-Office nur in nicht sensiblen Bereichen gestatten, etc.
4. Abschließend sind die getroffenen Schutzmaßnahmen aus Beweisgründen zu dokumentieren.
Gerne sind wir Ihnen bei der Implementierung eines solchen Schutzsystems für ihre Geschäftsgeheimnisse behilflich. Insbesondere bei den rechtlichen Schutzmaßnahmen handelt es sich um arbeitsrechtliche Themen, mit denen wir in unserer täglichen Arbeit immer wieder konfrontiert werden.